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120 „Nach seinen [Barjanskys, Anm. T. K.] Ausführungen sollte sich in der
heutigen Situation kein Land von den Möglichkeiten ausschließen, Stu-
dien über die USA zu betreiben. […] Hierbei handle es sich nicht um ‚eine
amerikanische Einkaufsaktion‘, die Universitäten sollen frei entscheiden. Es
wäre nur wünschenswert, wenn ihnen das BMU die Möglichkeit der Schaf-
fung von Lehrkanzeln über ‚American Studies‘ aufzeigte.“6
War das nun die feine Klinge US-amerikanischer Kulturdiplomatie oder ein eher
grobschlächtiger Wink mit dem Zaunpfahl? Konnte der Kulturattaché wirklich
erwarten, dass die österreichischen Ministerialbeamten ihm seine Auslegung
abnahmen? Oder bestätigte er mit dem offensichtlich von ihm selbst eingeführten
Begriff der „amerikanischen Einkaufsaktion“ nur, was die Beamten schon vermu-
teten?
1958 hatte die österreichische Regierung eine Broschüre „Zehn Jahre ERP
in Österreich“ publizieren lassen. Dem Dokument steht die Widmung „an den
unbekannten amerikanischen Steuerzahler“ voran. Die US-Regierung unter Prä-
sident Dwight D. Eisenhower initiierte daraufhin eine Medienkampagne, was zu
einer unerwarteten Popularität der auf Deutsch verfassten Broschüre in den USA
führte: Endlich war da ein Land, das sich von sich aus für die großen Zuwen-
dungen der USA gebührend bedankte (Stiefel 2009)! In einem ähnlichen Kon-
text müssen wir wohl auch die vorhin zitierte Passage von Johnson und Colligan
sehen. Nach fast zwei Jahrzehnten Laufzeit brauchte das Fulbright Program zwar
vielleicht gegenüber den Politikern und Diplomaten der beteiligten Länder keine
Werbetrommel mehr zu rühren. Doch die Autoren richteten sich augenschein-
lich an das amerikanische Publikum. Einerseits standen – mehr noch als andere
Bereiche – die kultur- und informationsdiplomatischen Instrumente der USA
innenpolitisch unter fortgesetztem Rechtfertigungsdruck (Belmonte 2008, 178).
Andererseits entstand ab Anfang der 1960er Jahre unter den liberalen Intellek-
tuellen Amerikas eine tiefe Skepsis gegenüber dem eigenen „cultural imperialism“
(Gienow-Hecht 2000, 471).
Der konkrete Anlass der Finanzierungsbeteiligung Österreichs bot wohl die
elegante Möglichkeit, an beiden Fronten zugleich den Erfolg des Programms bei-
spielhaft zu veranschaulichen. Wenn die finanzielle Last von nun an geteilt würde,
dann entlastete das den amerikanischen Steuerzahler. Und welcher souveräne
Staat würde eine solche Beteiligung eingehen, wenn er sich davon nicht ebenfalls
Vorteile erhoffte? Johnson und Colligan konnten offenbar der Versuchung nicht
widerstehen, das Beispiel aufzugreifen, auch wenn das bedeutete, einen Teil der
Geschichte zu verschleiern und den Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit
aufzugeben.
Die fragwürdige Behauptung von Johnson und Colligan zeigt auch, wie kom-
plex die Analyse der Kulturdiplomatie im Kalten Krieg ist. Unsere Untersuchung
hat sich absichtlich auf einen bestimmten Aspekt konzentriert – nämlich mit wel-
chen Zielsetzungen und Verfahrensweisen das Fulbright Program nach Österreich
importiert wurde, wie erfolgreich die Umsetzung war und welche Wirkungen
damit erzielt werden konnten. Das Programm stellte eine wesentliche organisato-
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117