Seite - 137 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Bild der Seite - 137 -
Text der Seite - 137 -
15. Zeitgedichte.
G>eift noch an dies! Die heil'ge Uberzengnng,
Mai'l't wieder s,e ;u,n leeren 7vor,nenfpiel,
Ter iiberirdifch nnerklärlen Neigung
Setzt ihr ein selbstgemachtes rohes Ziel,
Entfaltet wieder sie, die schwarze Fahne,
Tie meine fromme Mutter fchou verhüllt,
Teu guten Enkel, macht ihn gleich dem Ahne,
Ter, frommgctäufcht, die Welt mit Mord erfüllt,
Tnt'Z, denn ihr wollt'Z! — Mich aber laßt von
Treibt nicht mit meinem hcil'gen Namen Scherz!
Man eint den Mann, vereinend se,n Beginnen,
Brackt il,r mein Werk, zerbrecht auch dieses Erz!
Toch brächet ihr's in noch so kleine Trümmer,
d-> lommt der Tag, der wieder sie vereint.
Und einst — bei frühen Morgens erstem
Schimmer,
Eh' noch ein Strahl die Kaiserbnrg beschcint;
Weil Boten brachten blnt'gcn Krieges Wort:
Getäuschte Frennde mit der Hilfe säumen
Und Stürme herziehn vom beeistcn Nord;
Wenn Art und Stamm t>as eigne Voll entzweien,
Streitsüchtige Pfaffen ihre Gläub'gen reihen
Um ihren, nicht des Vaterlands, 'Altar;
In Scham fich eurer Heere Stirnen malen
!?!.' ilnvc- ^iilners, den die Gnnst berief;
Der Schatz uur reich an Ziffern und an Zahlen,
Ter Schuldbrief ausgelöst in Schuld und Vricf —
Turch Straßen, schweigend noch von Voltes Nnf,
Auf fuukenfprühendem Granit erdröhnen
Wie eines ehrncn Nofscs Wechselhuf —:
Tann denkt, es naht der jüngste eurer Tage,
Ter tote Kaiser kam zurück ans Licht,
Und mit der Weltgefchickc Temantwage
Geh' ich mit incincn Enkeln zn Gericht,
Kaiser Joseph.
So braucht ihr fürdcr mich denn nun nicht
Gehoben ist der langentbchrte Schatz,
Ich bin euch nur uoch der metallnc Reiter,
Aufs höchste gut, zu schmücken cnern Platz.
Vis etwa wieder euch das Volk vonnöten.
Und nicht mehr ausreicht eure schwarz »
Tann kehrt zurück ihr ohne Schamerrüten,
Taun tonnn' ich wieder ne» bei euch in Gunst,
So, schon bei meines Standbild erstem Gründen,
Als rings mein Neffe von Gefahr bedroht,
>!e,n Helfer in der Fürsten «reio zn finden,
Allüberall nur Untergang uud Tod,
In folgen künftig meines Waltens Spur:
Solang dao Wetter feinen Himmel trübte,
,"ielt er auch halb den notgedrnugucn Toä, uls dr^ »orie de,n Geschick erlegen,
Lrlitt der VorsaN einen tieien ^all,
Das Alte kam zurück anf allen Wegen,
Er schuf Papier, ich war nnr noch Metall,
(5c' war das Volk, das diesmal sich erhub.
Begreiflich allererst, doch toll im Streite,
Von mir erwarte Wahnsinn nimmer Lub.
Da kam der Lnkel wie zuvor sein Ahne
Zugleich mit seinem Volk zn mir heran,
Mein Standbild schmückte ihrer Hoffnung Fahne,
Ihr Schwur erscholl dort oben Uom Altan,
Und weil das Wort als luftig nicht genügte.
Was nun seitdem gefchah, will ich nicht schelten.
Gebt meinen Namen nnr vorerst zurück.
Seid geistig »necht, damit die Willkür frei,
Vor allem aber gebt zurück die Larve:
Tic Völterfastnncht ist ja doch vorbei,
Vision. »
<182L,>
Geht ein Verhüllter, rätselhaft zu sehn!
Man sieht ihn schreiten, weilen nnn, und
lauer» —
Tauu heben seinen Fuß, und weiter gehn.
Vom Hanpte zu deu trägeu Fersen nieder
Umhüllend rings fließt nächtigem Gewand,
Tie Falten scharf: so zeichnen sich nicht Glieder,
Wo Leben noch die straffen Sehnen spannt.
Was hält er? Ist's ein Stab? Ls blinkt wie
Waffen —
Des Schnitters Waffe haltend zieht er ein!
Und wo des Mantcls^Sällm' im Gehen klaffen,
Blickt kahl entgegen fleischcntblößt Gebein.
Ich kenne dich! du Würger der Lebcnd'gen!
Was suchst im Heiligtnmc, Scheusal, dn?
Hier darf das Alter nnr die 3age end'ge,,,
Nie Pflicht zn leben, gibt ein Necht dazu.
Jetzt steht er still, dort wo das Psörtchcu schließet,-
O schließe gut, o Pförtchcn, schließ ihn llus!
Streckt er die dürre Knochenhaut, heraus.
Wie an die Flügel er die Finger stellet,
Ta springen sie, weitgähnend, aus dem Schloß,
Und ein Gemach, vom Lampenfcheiu erhellet,
Ln',n feiucin Äng', liegt seinem Arme bloß.
Und drin ein Mann auf seinem Schmerzensbette,
Vie ist die edle Stirn von Tropfen feucht!
Zwei Fraueu neben ihm: wer sah's und hätte
Tic Gattin nicht erkannt, die Mntter leicht?
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik