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VI,
Strenge iin Zorn, was offenbar auf mich ge°
!»»»U !uar. Ich dachte mit Goethes Georg
im Götz Uon Verlichingen: Guckt ihr —! End»
lich wurde ich, der allerleltte oder einer der
litten, eiugelajsen, Ter >laiser e,npsing mich
obschon er es wahrscheinlich so gut wus;te als
ich — „Sind Sie der nämliche, der der Autor
ist?" Ick' bejahte und setzte meine Gründe
und Ansprüche auf die mit der Aränudirettors»
stelle verbundene Gehaltszulage auseinander,
Ter ^taiscr hörte mich ruhig an und sagte:
„ Ihr besuch ist ganz billig, da Sie ganz in
dem Falle Il)res Vorgängers sind," Endlich
entlief; er m'.ch mit den Worten: „Seien Sie
nur fleisiig uud halten Sie Ihre Leute zu
sammeu," Da der «aiser niriues Gedichtes
nicht erwähnte, fühlte ich mich auch meiner«
seiis nicht berufen, darüber ein Wort zu ver-
lieren, und ging, So mild, aber feine Worte
waren, fo wenig wareu es feine Handlunge,,.
Er l'atte scliou da,,ials den mich angehenden
Vortrag der Finanzhofstellc nntcr die,euigeu
Aktenstücke gelegt, die er entschlossen war,
während seines ganzen Lebens nicht zu ent»
?ode wxrde es mit Mühe uutcr deu ^iiicl
ständen aufgefunden, die aus ähnlichen Ur-
sachen sich angeliäuft hatten. Aber auch als
es fich jetzt faud, hatte bereits ein Staats-
rat, auch einer meiner Maulfreunde »ud
Gönner, sein Mütchen an mir oder vielleicht
uur au der Iiuauzlwfstelle, die feinen Solm
nicht nach Wunsch beförderte, nnitlich gekühlt,
indem er statt der Gelialls^ulage auf eiue oie
l!allsverinel,rung einriet, durch welche ich frei'
lich 2M dulden jährlich verlor, ei» Verlusl,
der mir erst fpäter unter dem Miuisterium dl's
'Auch der Hnuptbeleidigte, der Kronprinz,
dem ich zufällig bekannt wurde, Er machte
seine ȟnste auch bei Hofe, nnd iu ei,!,eni '^!e
spräche mit dem Kronprinzen crwäbutc er
auch meines Gedichteo, und wie er wisse, daß
ich gar keine üble Absicht dabei gcha!
(^r hat sie allerdings gehabt, sagte der ^r>u^
man hat ihn nnfmerlsam gemacht, uud deuuoch
von Verlichingen: „slaiscr, Kaiser! Näubcr
beschützen deine linder", obwolil ein Bauch-
redner eigentlich kciu Näubcr ist. Wer dem
Kronprinzen jene böswillige Lüge gesagt hat,
weiß ich freilich nicht,
Ich stand nunmehr sowohl mit dem gegen
wärtigen als mit dem künftigen Kaifer in dem
üuelsleu Verlniltnifse, was für keinen Fall er-
freulich ist. Ganz litcrarisch nulätig war ich in d r
Zwischenzeit nicht gewesen. Die Ereignisse dei
^>'lege,cheil ineines Ottotnr nnd des treuen
Tieners hatten mich belehrt, daü I,
^to'ie zu behandeln in den ös!erre!!l,n'>!,en
Landen höchst gefährlich sei, Neiue Empfiü»
dungs» und ^eideus^liaslo ^i^iiöoieu aber ver>
licren ihr Interesse bei oe^ ^i>iner<' -nuelnue,,
den Jahre,,, ^'ai, Nmii n,n einu'enden, ich
dätte nnch über die eugeu one, >>'>>>,,j>l>>',, Ver
sür Tentschland schreide,! sollen. Aber ich war
oei jedem meiner ?!!,c!e die ^luffübruug, uud
zwar in meiner Vaterstadt, im Äuge Ein
gelesenes Drama ist eiu Buch, statt einer !e
i.'endigeu >)auolu>,q, ^ve,i,qe ^l'ser I>al>e» die
Gabe, sisl, ,e,,>' ^^e!!,r^> >>,,,,, ,,,,>' '
aber weggelegt hatte, weil i>er niit der '!w!>,'
des Zanga bcteilte Säiauspieler statt de<>
durchaus einen Weiften baben wollte, Tas
Viiuie, ^tosiweise des Stosses war eben ge
eignet, mir sewer eiueu ^luitoß iu nieiner Ver»
drosscnheit zn geben.
Es ist hier vielleicht der Ort, über das
für Effettmacherei halten louule, Ich Niullte
allerdings Esselt maelieu, aber uicln ans das
Publikum, sondern auf mich felbst. Die rul,i>ie
Freude am Schaffen ist mir versagt, Ich lebte
! immer iu meine» Träumen nud Entwürfen,
ging aber nur fehwcr n» die Änsführnm,, ^,>,il
ich luußte, das; ich es mir nicht zu Taut ,
würde. Die schonungslose Selbstkritik, die ,l ,
eudung Platz machte, sing jetzt schon an, sich
während der Arbeit ei»',u»elle». Es war dn-
gabe, oder die ^esiigleit des ĻIanfs, was die
Lust am Vollenden vor dem Schluffe nicht e»
talteu ließ. Zugleich !var ich kein Freund der
neueren Vilduugsdichter, selbst Schiller uud
Goethe mitgerechuet; nebst Shakespeare zogen
mich die Spanier, Enlderou uud Lope de Vega,
gung, was durch seine blosze Eriste»', !>>Ia>il'en
der draniatischcn Poesie zu fein. Eine gejalü'
liche Nichtung, der ich vielleicht nicht gewachsen
war. Sich immer auf dem Standpmille oe>
Anschauung zu erhalten, wird schwer iu unserer,
auf Untersuchung gestellten Zeit,
Als ich mit meinem Uondkalbc fertig war,
übergab ich es meinem Freunde Schrcyllogel
darauf zu sprechen. Er zweifelte an der Mög-
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik