Seite - 524 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Bild der Seite - 524 -
Text der Seite - 524 -
VII, Aphorismen.
wohl ein,
Gerade bei Menschen, bei denen das Gemüt
vorherrscht, sind Kants Schriften höchst nützlich.
Na sie uon dem Ihrigen da anzustücken ocr-
nung machen hilft in der Sphäre, die in seinen,
Bereich liegt, Trockene Verstandesmenschen
müssen durch Kants Philosophie notwendig ganz
austrocknen.
Kant schikaniert den Aristoteles offenbar mit
seinem Tadel gegen dessen Aufstellnng und Be-
gründung der Kategorien, Aristoteles stellte
aber seine Kategorien durchaus zu keinem trans-
zendentalen, sondern zu einein rein logischen
ohne daß er sich um ihre tzerstammung gerade
besonders bekümmerte, Ja, selbst die Genauig-
keit der Einteilung liegt ihm nicht gar so se!,r
nui Herzen, Er will lieber ein Eintcilnngs-
glicd zweimal in zwei Gattungen aufführen, als
daß es der Schüler vermissen sollte, wie er es
selbst bei Erwähnung jener Grenzlinien ans-
spricht, wo die na<,,-r< und die.iolu zusammenlaufen.
Trendelenburg glaubt Kant widerlegt zu
stellt. Wie aber, wenn die Bewegung allerdings
die primitive, wcsenhafte Eigenschaft der Ningc
wäre, den Geist gleichfalls als Ning sen«) ge-
nommen, könnte dann nicht Zeit und Naum
nock immer ,die Forin sein, in der sie der
Vorstellung erscheinen? Überhaupt wenn Kant
gemeint hätte, daß Zeit uud Raum nur Formen
dirett erklärt, daß er das Ding an sich kenne,
was er immer geleugnet.
Schelling säugt seiue Philosophie der Mytho-
nn. Er meint, weuu die gewöhnliche philo-
sophische Ansicht der Mythologie unzureichend
sei, so müsse man immer höher steigen, bis mau
endlich auf die letzte und daher s?) notwendige
wäre, als ein Mangel an Philosophie, so würde
und e^ wäre vielmehr eine Herabstcigen indi-
ziert, Aii^ dieselbe Weise haben sich die Deut-
schen ihre Ansicht über die Poesie verdorben,
die mit der Mythologie Geschwisterkind ist.
Wenn einer ein neues Land entdeckt, so
entdeckte Weg den Wert der Entdeckung aus,
SclieUing wäre noch immer kein Philosoph,
wenu sein letztes Nesnltat zufällig auch wahr
wäre. Wenn die neuesten Verteidiger >v,i>'!-> si>>>l'ü-
das menschliche Ncnken sei nur ein Nachdenken
dessen, was in der Welt, den Hingen o o >',i>->
dacht ist, so muß man dagegen erwidern: Ihr
nehmt ja auf die Diuqc leim' )>>,,,!,,,!,,, wn-
Teilen ist daher eins mit dem göttlichen.
Nie Nachteile der Hegclschcn Philosophie für
die deutsche Nildung konzentrieren sich vielleicht
in folgenden Punkten, Erstens hat er durch ihre,
das Gesetz des Widerspruchs verschmähende Spe-
gesunden Menschenverstand uenut, beeiunächiigt.
Zweitens durch ihre Schwcrvcrstäudlichkeit, ja
Ilnverständlichkeit ans Nachbeten gewöhnt, das
sich in alle Fächer eingeschlichcn. Endlich durch
ihre Versicherung, daß von nun an die Welt
durchsichtig geworden und das Rätsel des Uni-
der in dieser Schroffheit früher noch nie dagc<
Wesen
Mir kommt die Hegelsche "Philosophie vor, wie
das Christentum, Aus dem Gefasel der Theo»
logen follte man schließen, daß nach der Ge«
sünde, die Menschen notwendig hätten besser
werden müsse»! sie sind aber so schlecht, als
sie früher waren. Ebenso wäre natürlich, daß,
nachdem Hegel die letzten Gründe und den not<
aber fämtlich auf der Stufe geblieben, auf der
fie vor Hegel waren. Nie Notwendigkeit hat
anf die Zufälligkeiten keinen Einflnß geübt,
und um die Zufälligkeiten eben wäre es uns
zn tun.
Nie Hcgclsche Philosophie, die monströseste
Ausgeburt des menschlichen Eigendünkels, scheint
als Philosophie endlich abgetan, sie spukt aber
Zweigen des menschlichen Wissens fort; nnment'
lich in der Geschichte und in der Ästhetik, Nie
erstere knüpft noch immer alles an den fich
selbst entwickelnden Begriff, an die nachweisbare
schritt, indes die Ästhetik mit ihren dürftigen
Wunder» des menschlichen Innern nicht etwa
zu nähern — was erlaubt, ja wünschenswert
wäre — sondern sie vollständig zu erreichen
meint. Ich nenne die Erscheinungen des Ge-
mütes wunderbar und unerklärlich wegen ihrer
man lieber will, wegen des Zusammenwirkens
unberechenbarer und unzählbarer Faktoren, Es
ist mit der Knnst i» der moralischen Welt nicht
anders, als mit dem, was wir in der physischen:
Leben, nennen, dessen Abbild und Gegenbild
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik