Seite - 127 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
Bild der Seite - 127 -
Text der Seite - 127 -
127
nicht eben in dieser Periode solche Zeichnungen sehr gewöhnlich wären. Es ist gewiß sehr
merkwürdig, diese Wertigkeit nicht nnr bei einzelnen Individuen oder bei gewissen Stämmen
jener Zeit zu finden, sondern sie gewissermaßen einer ganzen Cnltnrperiode zuschreiben zu
müssen, und dies umsomehr, als die menschliche Cnltnrentwicklnng sich nicht in der
Richtung künstlerischer Freihandzeichnung bewegt hat und wir in viel späteren Perioden
keine Spur solcher Thätigkeit finden.
Beim Studium der Vorgeschichte des Menschen ist es auffallend, daß in allen
Ländern und unter den verschiedensten Menschenracen ans ähnlicher Cnlturstuse auch
ganz ähnliche, ja selbst identisch gleiche Geschmacksrichtuugeu Platz
greifen. Nicht nnr in Niederösterreich, nicht uur in Frankreich und
Belgien oder in Europa überhaupt, auch am Nil, iu Indien, in Japan
und in Amerika ist die erste Menschenbevölkerung genau mit denselben
Feuersteinen, und zwar nur mit Feuersteinen bewaffnet gewesen: auch
dort folgt deu Feuersteinwaffen die Verwendung der Bein- und Horu-
geräthe uud gehen diese wieder dem Gebrauche der Thouwaareu voraus.
Aber nicht nach der Zeit des Vorkommens allein, anch nach der
Culturstufe richtet sich die fast gleiche Behandlung nnd Verwerthung
der Naturprodukte. So stehen z. B. die Samojeden unseren Renthier-
menschen aus der Gudeuushöhle oder deu Bewohueru anderer Höhlen
sehr nahe. Auch diese verwenden in ganz ähnlicher Weise die Knocheu
und Geweihe des Ren zu allerlei Gerätheu und gebrauchten, bevor sie
durch die Europäer eiserne Messer sich verschaffen konnten, die Feuer-
steine als Werkzeuge uud Waffe«.
Damit schließe» unsere bisherigen Forschungen nach den ersten
Menschengeschlechtern in Niederösterreich: sie bieten uns weder in der
physischen Erscheinung, noch in der Lebensweise etwas sehr Über-
raschendes. Das riesenhafte Bild, welches man sich einst von dem Titanengeschlechte der
ersten Mensche» gemacht, verkleinert sich : es verlängert sich aber dafür in das Ungemefsenc
die Zeit ihres Erscheinens auf Erde»; sie verschwinde» endlich, um anderen Me»sche»raee»
Platz zu niache».
Die neuen Aukömmliuge finde» wir scho» im Besitze ei»er ansehuliche» Zahl vo»
Culturmittel«, welche sie nicht nur hoch über jeue der frühereu Perioden erheben, sondern
auch zn einem rüstigen Fortschritt befähigen. Wenn sie auch anfänglich der Metalle noch
gänzlich zu entbehre« scheinen oder sie doch nur in einem unzureichenden Maße besitzen, so
haben sie sich doch eine bewnndernswerthe Geschicklichkeit angeeignet, außer dem Feuerstein
auch andere Gesteine zu bearbeiten nnd für verschiedene Gebrauchszwecke zu forme».
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317