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Die Köchin hält indessen schon einen Teller mit einem Kochlöffel bereit, worans sie ein
Silberstück empfängt. Oft legt man der Braut beim Eintritt in das Haus einen Besen
oder soust ein Geräth in den Weg. Hebt sie das auf uud fegt sie etwa gar den Bode»
rein, wo man absichtlich Wasser ausgegossen hat, so ist das ein Zeichen, daß sie eine
gute Hausfrau sein wird.
Im Flachlande um St. Pölten verzögert den Eintritt ins Hochzeitshans (meist
Wirthshaus) die vor demselben aufgestellte „Breischüssel". Da müssen sämmtliche
Hochzeitsgäste, obenan das Brautpaar, den „Brei löffel kaufen", das heißt drei Löffel
voll Brei essen und dafür den „Kellnern" ein Trinkgeld („Kostgeld", das ist Geld für das
Kosten) geben, welche in schön verzierten Flaschen warmen Wein und um Neulengbach
am Wienerwalde auch süßes Backwerk reichen. Statt Brei wird öfter auch Milchreis,
Griessterz, gegen das Gebirge hin „Kraut" (Sauerkraut) aufgesetzt. Der Breilöffel ist mit
einem Sträußlein verziert.
Im B. O. W. W, wo die Hochzeiten in der Regel im Wirthshause gehalten
werden (doch z. B. im Pielachthal auch im Hause der Braut oder des Bräutigams), findet
nach der Rückkehr aus der Kirche sogleich der „Kranzltanz" oder das „Kranzlabtanzen"
statt. Zuerst tauzt der Zubräut'ger, den Hut auf dem Kopfe, mit der Braut ein „G'sätzl";
dann geht er auf den Bräutigam zu, uimmt den Hut ab, wünscht Glück und übergibt
ihm die Braut. Mit dieser tanzt nun der Bräutigam und tanzen die Göden und Vettern
und überhaupt alle männlichen Hochzeitsgäste der Reihe nach. Auch ein „steinalter Tatl"
(Väterchen) muß tanzen, uud wenn die Füße halt gar nimmer sich heben wollen, so macht
er, den „Nasenbrenner" im Munde, unter den Klängen der Musik mit der Braut zum
weuigsteu einen Rundgang.
Das Hochzeitsmahl ist überall ein Festmahl ersten Ranges. Der Hochzeitswirth
stellt für jeden Gast einen zweiten Teller auf den Tisch. Auf demselben wird das
„B'scheidessen" anfgethürmt, denn „die daheim müssen auch was kriegen".
Beim Hochzeitsmahl ist's überaus „kurzweilig" und allerlei Späße, vielfach die
Brautleute betreffend, helfen es würzen. Man beehrt sie mit Backwerk, welches Scherz-
figuren vorstellt, z. B. Wickelkinder (häufig Zwillinge), Wiegen und dergleichen. Im
V. U. W. W. ist nahezu an allen Orten Brauch, sich beim Mahle gegenseitig mit den
sogenannten „Hochzeitskügerlu" (überzuckertem Koriander) zu bombardireu, welche am
nächsten Tage die Ortsjugend gar emsig sammelt. Merkwürdig ist die in einigen Gegenden,
z. B. um Hoheuruppersdorf (V. U. M. B.) und im Hornerwalde (V. O. M. B) übliche
Sitte, daß der Bräutigam nach dem Kirchgange seinen Hochzeitsrock mit einer weißen
Jacke vertauscht, ein Fürtnch umbindet und so die Speisen aufträgt, also die Gäste bedient.
In der Gegend von Payerbach (V. U. W. W.) wird das Hochzeitsmahl zuweilen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317