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wie heute zumeist, irgend ei» bedeutenderes Unternehmen im Lande ohne Berufung der
im Mittelpunkte desselben weilenden Künstler nicht ausführbar gewesen wäre. In dieser
Beziehnng zeigt sich die Vergangenheit viel kunstreicher und blühender als die Gegenwart;
Wiener-Neustadt, Krems, St. Pölten, Horn, Eggenbnrg, Waidhofen an der Abbs, ja viel
kleinere Orte haben vom Mittelalter bis in die Barockzeit ihre eigenen ansäßigen Meister
aller Knnst- und Kunstgewerbebranchen, welche allen Erfordernissen genügten, so daß
Bestellungen bei Nichtausäßigeu zu den Ausnahmen gehören.
Die besten Belege bietet uns dafür die Barockzeit, in der das Kunstleben dieser
Gegenden auf den höchsten Gipfel gestiegen ist. Die größten Architekten Wiens, Hildebrand,
di->. Galli Bibiena, die Fischer von Erlach, haben, soviel wir wissen, im Kronlande außerhalb
Wien mir sehr wenig zu thun gehabt, und dennoch hatte das Land keine Noth an trefflichen
Baukünstlern, wie denn der St. Pöltener Prandaner, Muugeuast und Andere daselbst
genng zu schaffen hatten, ohne wieder in Wien beschäftigt zu sein. Unter den Malern traten
bedeutende Künstler, wie: Bachmann, Bentl, Bergl in Melk, Johann Martin Schmidt
in Krems auf, welche vielmehr auf Wien zurückwirken, und umgekehrt vertauschen dortige
Meister, wie Martino Altomonte, Daniel Gran, ihren Wiener Aufenthalt dauernd mit
Heiligenkrenz, St . Pölten, um von da ans das weite Land mit ihren Schöpfungen zu
versorgen. Als mit dem Ansänge des XVIIl. Jahrhunderts die gewaltigen Umbauten nnd
prachtvollen Ausstattungen der Stifte Melk, Heiligenkreuz, Klosterueuburg, Zwettl, Alten-
burg, Lilienfeld, Neukloster iu Wieuer-Neustadt:e. ihren Ausschwuug uahmeu, da lag es
iu der Natur der Sache, daß an jedem dieser Orte sich eine selbständige blühende Knnststätte
uud Kunstschule bildete, wo wir dann eine Menge Kräfte finden, welche von dem Wiener
Kunstleben ganz unabhängig schaffen; ja, es ist erstaunlich zu sehen, wie es zn jener Zeit
in den kleinsten Dörfern in der Umgebung solcher geistlicher Häuser vou Malern, Bild-
hauern, Stnccatorern, Vergoldern, Knnftschlossern ?c. wimmelte, wo heute keine Hand ist,
die nur leidlich de» Bleistift zu führen verstände.
Mehr oder minder aber war es schon seit der ältesten Zeit so, uud uicht zum
geringsten Theil gaben eben die kirchlichen Culturstätten, welche im Lande verstreut lagen,
den Anlaß dazn. Hier bildeten sich, zuerst unter der Leitnng der in alten Zeiten selbst
künstlerisch thätigen Mönche, die Künstler für die Bedürfnisse des Altars; folgten diese der
sich immer mehr ausbreitenden Gründung neuer Pfarren und Kirchen nach, berührten sich
anch mit auderen solchen Strömungen nnd erfüllten endlich das ganze Land, ohne daß
ein gemeinschaftlicher Ausgangs- nnd Brennpunkt vorhanden gewesen wäre, in einer
bunten, viel zersplitterten Thätigkeit.
Auch von den Städten behaupteten die meisten gegenüber dem in Kunstsachen sich
erst spät bedeutender entwickelnden Wien einen selbständigen Charakter, hatten ihre
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317