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© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1/6 a, A-1080 Wien
https://doi.org/10.7767/9783205212355 | CC BY 4.0
1. Zensur und Förderung
ordnung vom 7.3.193319 wurde in § 3 die Beschlagnahme von massenwirksamen Tageszeitungen
legitimiert, nach dem Verbot der Kommunistischen Partei am 26.5.1933 konnten ab dem 7.6.1933
Buch- und Presse-Bestände beschlagnahmt sowie Gewerbeberechtigungen wegen Förderung einer
verbotenen Partei entzogen werden (19.6.1933 NSDAP und Steirischer Heimatschutz, 12.2.1934
SDAP) und ab dem 31.1.1935 wurde durch das „Bundesgesetz zur Bekämpfung staatsfeindlicher
Druckwerke“20 die Herstellung und Verbreitung von Printmedien jeglicher Art unter Strafe gestellt.21
Die gesetzlichen Maßnahmen waren der Sache nach überflüssig,22 sie dokumentieren eher den po-
litischen Willen, das Mittel der Zensur zu forcieren. Im Gegensatz zu den skizzierten chaotischen
Verhältnissen in Deutschland bis Mitte 1935 war für ganz Österreich nur eine Stelle zuständig, näm-
lich die Bundespolizeidirektion in Wien (Preßbüro) in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für
öffentliche Sicherheit im Bundeskanzleramt. Das Bundesministerium für Unterricht (BMfU) und die
Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten spielten bei der Durchsetzung eine wichtige Rolle, we-
gen geringer Effektivität und fehlenden personellen Ressourcen stießen sie aber auf erhebliche Pro-
bleme. Die getroffenen Maßnahmen wurden in der Wiener Zeitung (Amtlicher Teil, nur Periodika)
und im Anzeiger für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel (nur für Mitglieder) veröffentlicht. In
Österreich wurden keine General-Listen
– auch wegen des nötigen personellen Aufwands
– erstellt,
die Aufnahme eines Werks bzw. eines Autors in die meist monatlich verteilten Verzeichnisse wurde
post festum nach Beschlagnahmungen vorgenommen. Ab Anfang 1934 wurden Listen geführt,23 die
ab August hektografiert als Verordnungen nur bestimmten Institutionen zugestellt wurden, um den
Schein der Abwesenheit von Zensur zu wahren, analog zu Deutschland, wo die Indizierungslisten
zwar in hoher Auflage gedruckt (LSUS), aber auch nur einem bestimmten Benützerkreis vorbehal-
ten blieben. Dieser Schein wurde auf internationaler Ebene durchbrochen: Auf dem PEN-Kongress
in Edinburgh/Glasgow (17.–21.6.1934) wurde ein Bericht des ehemaligen Leiters der sozialwissen-
schaftlichen Studienbibliothek der Arbeiterkammer von Wien von dem bereits emigrierten Fritz
Brügel verlesen, der die Indizierungen in Österreich und die Entfernung von Weltliteratur aus den
Bibliotheken anprangerte.
Es gibt viele inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen den Indizierungslisten in Deutschland und
Österreich: Beide Staaten verboten die Kommunisten und Sozialdemokraten, daher war der Kampf
gegen marxistische Schriften nach 1938 in Österreich nichts Neues. Beide verabscheuten Sexuallite-
ratur, die als unsittlich gebrandmarkte erotische Belletristik und das individualistisch-liberale Schrift-
tum bzw. das „Asphaltliteratentum“. Die unterschiedlichen politischen Ideologien werden einerseits
im Verbot klerikaler und spezifisch ständestaatlicher Texte andererseits in den nationalsozialistischen
Standard- und Propagandaschriften sichtbar. Im wesentlich konzilianteren Österreich gab es
– auch
implizit
– keine Indizierung jüdischer Autoren und keine, die gegen den Pazifismus gerichtet war (zu
den Kriterien siehe LSUS35).
Der „Anschluss“ Österreichs wurde
– analog zu den Vorgängen in Deutschland nach der „Macht-
ergreifung“ – von verschiedenen Gruppierungen (Landeskulturamt der NSDAP, SA etc.) dazu be-
nützt, um Privatpersonen, Vereine, Verlage, Buchhandlungen und Büchereien wild zu plündern,
19 BGBl. 1933/41.
20 BGBl. 1935/33.
21 Malina83, 315
f.
22 Malina83
– Hall85, I, 111.
23 Pfoser80, 205.
Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
Band 5 der Reihe Literatur in Österreich 1938–1945
- Titel
- Literarisches System in Österreich 1933/1938–1945
- Untertitel
- Zensur und Förderung – Literarische Vereine – Anthologien
- Autor
- Uwe Baur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21235-5
- Abmessungen
- 17.3 x 24.4 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Das Gesamtwerk 9
- Vorbemerkung zu diesem Band 13
- 1. Zensur und Förderung 15
- Einleitung 15
- Österreichische Listen 1933–1938 17
- Einleitung 17
- Der Bücherbrief (1932) 24
- Die Wegtafel (Mai 1933) 25
- Die deutsche Dichtung Österreichs (9.6.1933) 25
- Die Säuberung des deutschen Buchwesens vom jüdischen Geiste im Deutschen Reiche und wir Österreicher (Juni 1933) 26
- Dichterbuch (1933) 27
- Indizierungslisten Österreichs 1933–1938 28
- Liste der zu fördernden bzw. der abzulehnenden Schriftsteller (1935) 30
- Gegenwartsdichtung in Österreich (1935) 32
- Geist und Macht (1938) 33
- Österreich. Ein Bücherverzeichnis (1938) 34
- Deutsche Listen 1933–1945 35
- a. Verbotslisten 35
- b. Zentrale Empfehlungslisten 50
- Schriftsteller-Verzeichnis der Reichsschrifttumskammer (1942) 50
- Nationalsozialistische Bibliographie der Parteiamtlichen Prüfungskommission (1936–1943) 54
- Jahres-Gutachten-Anzeiger des Amtes Rosenberg (1936–1944) 56
- Kataloge zur „Woche des deutschen Buches“ des RMVP (1936–1942) 62
- Gottbegnadeten-Liste 65
- c. Spartenbezogene Empfehlungslisten 68
- 1. Jugendschriften-Verzeichnisse 68
- Einleitung 68
- Das Jugendbuch im Dritten Reich (1933) 69
- Das Buch der Jugend (1934–1942) 70
- Das Buch der deutschen Jugend (1939/40) –
- Das deutsche Jugendbuch (1940/41) 74
- 2. Vorschlagslisten für Dichterlesungen 76
- 3. Empfehlungslisten für Leihbüchereien und Buchhandlungen 79
- 4. Sonstige 84
- Das deutsche Bauernschrifttum in der deutschen Dichtung (Amt Rosenberg 1933) 84
- Einladungsliste für kulturelle Veranstaltungen und Empfänge (RPA Wien, Juni 1940) 85
- Geburtstagsbücher für den Führer (Amt Rosenberg 1943) 85
- Entnazifizierung 87
- Österreich 87
- Liste der gesperrten Autoren und Bücher (1946)/Nachträge 87
- Deutschland 90
- Liste der auszusondernden Literatur/Nachträge (1946–1953) 90
- 2. Vereine im literarischen Feld Österreichs 1933–1945 95
- Einleitung 95
- Literarische Gruppenbildungen nach dem liberalen Vereinsgesetz bis 1938 96
- Literarische Vereine im totalitären „Ständestaat“ 99
- Landeskulturamt der NSDAP-Landesleitung Österreich (1933–11.7.1938) 100
- Vereine im Nationalsozialismus ab März 1938 105
- Chronologie der literarischen Gesellschaften und Autorengruppen in Österreich zwischen 1933 und 1945 113
- Literarische Gesellschaften und Autorengruppen A–Z 119
- 3. Anthologien 1933–1945 271