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7Kapitel
Es war eine Freiturnübung in Weißensee angesagt, unter dem Kommando des
Leutnants Wachtl. Hundert Schritte von den anderen entfernt gingen Klitsche,
Theodor und Günther. Gast war Günther, herzlich begrüßt und mit Witzen
unterhalten. Man hörte das starke Lachen Klitsches.
Sie blieben stehen, beschlossen zu rasten, es hackte ein Specht
unermüdlich, schüchtern pfiff ein Vogel, Hunderte Mücken tänzelten in der
ungewöhnlich warmen Aprilsonne, frisch und betäubend roch der Waldboden.
Theodor möchte gern das Ende des Waldes sehen. Ach! Der Wald hat kein
Ende, Theodor fiebert, er spürt einen Druck auf der Schädeldecke, als lasteten
viele, viele Baumstämme auf seinem Kopfe. Tränen überquellen sein Auge, er
kann nicht mehr sehen, er läßt sich neben Günther nieder.
Jetzt wartet er, wartet wie auf seinen eigenen Tod. Es kam zu schnell. Zu
schnell. Theodor sah vor sich unzählige Baumstämme, die das Sonnenlicht
brachen und dämpften. Aber die Bäume waren körperlos, Schattenbäume, sie
standen nicht fest, sie befanden sich in einer fortwährenden, unmerklichen
Bewegung, als wäre der ganze Wald eine Kulisse aus dünnem Schleierstoff,
von einem ganz sanften Wind bewegt. Deutlicher als die Baumstämme, die
sich vor ihm befanden, sah Theodor den Detektiv Klitsche hinter sich; sah,
wie er eine Beilpicke erhob, mit beiden Händen, und sich reckte, fühlte, wie
Klitsche den Atem anhielt, und dann schloß Theodor die Augen. Als er sie
wieder aufschlug, sah er Günther neben sich niederbrechen, sah er den
halboffenen Mund des Liegenden, den halben Schrei, den
steckengebliebenen, und fühlte eine lastende Stille. So ruhig war es im Walde,
als wartete alles auf den Todesschrei, der nicht kam.
Zwischen den Brauen Günthers, an der Nasenwurzel, steckte die Spitze der
Beilpicke. Sein Angesicht war weiß, violett schimmernd unter den Augen.
Noch atmete er. Der Daumen seiner linken, auf der Brust liegenden Hand
bewegte sich wie ein kleiner, fleischiger, sterbender Pendel. Mit einem letzten
Röcheln verzog er die Oberlippe, man sah seine Zähne und ein Stück
weißlichgrauen Zahnfleisches.
Klitsche warf einen Sack über Günther, die Beilpicke ließ er stecken. Er
schleppte ihn weiter über Tannennadeln, über Sandboden, über Zapfen, die
leicht knisterten. Da war eine Grube, dahinein fiel Günther, Klitsche zog den
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Buch Das Spinnennetz"
Das Spinnennetz
- Titel
- Das Spinnennetz
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1923
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 93
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 10
- Kapitel 3 14
- Kapitel 4 17
- Kapitel 5 21
- Kapitel 6 24
- Kapitel 7 30
- Kapitel 8 32
- Kapitel 9 36
- Kapitel 10 39
- Kapitel 11 42
- Kapitel 12 44
- Kapitel 13 47
- Kapitel 14 50
- Kapitel 15 52
- Kapitel 16 54
- Kapitel 17 57
- Kapitel 18 59
- Kapitel 19 61
- Kapitel 20 64
- Kapitel 21 67
- Kapitel 22 69
- Kapitel 23 73
- Kapitel 24 76
- Kapitel 25 79
- Kapitel 26 81
- Kapitel 27 83
- Kapitel 28 86
- Kapitel 29 89
- Kapitel 30 92