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8Kapitel
Nach München meldete der Bericht, daß Günther Klitsche im Kampfe
erschlagen habe und von Theodor Lohse nachher umgebracht worden war. Es
wurde von den sechzehn Angehörigen der Stelle S II bezeugt. Die Toten
waren gründlich begraben. Ein geschossenes und auseinandergeschnittenes
Eichhörnchen lag auf ihrem Grabe und erklärte die Herkunft der Blutspuren.
Frei war die Bahn Theodor Lohses. Klitsches Erbschaft verwaltete er und
baute sie aus. Heiß ging sein Atem, kurz war sein Schlaf und weit das Feld,
das er beackerte. Aus vierzig Mittelschulen bildete er eine Garde.
Unverläßliche Spione schaffte er ab. Dreimal in der Woche hielt er Vorträge.
Eine halbe Stunde bereitete er sich vor, aus Trebitschs Flugschriften und aus
dem »Nationalen Beobachter«. Er verwaltete Geld, das er von Major Pauli
erhielt. Er schrieb Rechnungen und erteilte keine Vorschüsse, es sei denn an
sich selbst.
Allmählich begriff er die Zusammenhänge, die er früher nur in Artikeln
aufgedeckt hatte. Er fuhr nach München, er lernteseine Vorgesetzten kennen,
einen General, der nie nach Preußen reiste und in Bayern unter dem Namen
Major Seyfarth wohnte. Er hatte das Bedürfnis, Ludendorff zu besuchen, aber
er durfte es nicht, direkter Verkehr mit Ludendorff war verboten. Er verlor die
Verehrung für diesen und jenen, den er groß genannt und gewähnt hatte. Er
sprach mit Nationalsozialisten und achtete sie gering, weil er erfuhr, daß sie
nicht in alles eingeweiht waren und daß Geheimnisse auch ihnen nicht
offenbar wurden. Theodor lernte horchen und mißtrauen. Man belog ihn.
Es kränkte ihn. Seinen Fragen gebot man Halt. Es richtete seinen Ehrgeiz
auf, es blies ihm neuen Mut ein, Einfluß wollte er, nicht kleine
Selbständigkeit, Anfang einer Kette sein, nicht ihr unscheinbares Glied. Aber
sein Eifer überwältigte ihn selbst, drang aus ihm, verriet ihn, seinem Fleiß
mißtraute man, seine Hitze machte ihn verdächtig. Jeder der Generale,
Majore, Hauptleute, Studenten, Journalisten, Politiker klebte an seiner Stelle,
es beherrschte sie Angst um ihr tägliches Brot, nichts mehr, nichts weniger.
Dazwischen trieben sich kleine Menschen herum, Gäste der Organisationen,
der rote Wanderredner Schley, der Pfarrer Block, der Schulmädchen
verführte, der Student Biertimpfl, der eine Unterstützungskasse geplündert
hatte, der Artist Conti aus Triest, Matrose und Deserteur, der jüdische Spitzel
Baum, dessen Spezialität Aufmarschpläne waren, der Elsässer Blum, ein
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Buch Das Spinnennetz"
Das Spinnennetz
- Titel
- Das Spinnennetz
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1923
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 93
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 10
- Kapitel 3 14
- Kapitel 4 17
- Kapitel 5 21
- Kapitel 6 24
- Kapitel 7 30
- Kapitel 8 32
- Kapitel 9 36
- Kapitel 10 39
- Kapitel 11 42
- Kapitel 12 44
- Kapitel 13 47
- Kapitel 14 50
- Kapitel 15 52
- Kapitel 16 54
- Kapitel 17 57
- Kapitel 18 59
- Kapitel 19 61
- Kapitel 20 64
- Kapitel 21 67
- Kapitel 22 69
- Kapitel 23 73
- Kapitel 24 76
- Kapitel 25 79
- Kapitel 26 81
- Kapitel 27 83
- Kapitel 28 86
- Kapitel 29 89
- Kapitel 30 92