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Zipper und sein Vater
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Cäsars, die Lehrer hüteten sich vor Schlägen. Cäsar Zipper erregte nicht besonderes Aufsehen, er blieb je zwei Jahre in jeder Klasse, aber es half ihm nichts. Als er die Schule verließ, konnte er gerade lesen und schreiben. Es war, als gehörte Cäsar nicht zur Familie Zipper. Vor allem traf man ihn niemals zu Hause, es sei denn während der Mahlzeiten. Da saß er am Ende des Tisches, die Tür, die zur Küche führte, im Rücken, gegenüber dem alten Zipper, der dem ungeratenen Sohn zwischen je zwei Gängen wütende, verachtende Blicke zuwarf. Cäsar erwiderte sie nicht. Cäsar sah immer auf den Teller, knurrte leise, klopfte mit den Absätzen auf den Fußboden, trommelte mit den Fingern auf den Sessel und wußte, daß die Raserei in seinem Vater stieg. Ja, er schien mit Vergnügen zu hören, wie es in dem alten Zipper kochte. Noch hielt der an sich. Schon aber nahte die Mehlspeise, mit der Zipper niemals zufrieden war, und plötzlich explodierte er. Er schleuderte das Salzfaß gegen Cäsar, der es schon längst erwartet hatte und mit dem geübten Griff eines gewandten Menschen auffing und wieder auf den Tisch stellte. Dann hörte man ein Sesselrücken, der alte Zipper erhob sich. Er stand gebückt, die Serviette in der Linken, mit der Rechten griff er hinter den Rücken, er suchte die Lehne des Stuhls. Einen Augenblick lang sah man seine Hand, wie sie die leere Luft krallte. Ich sehe noch deutlich diese rechte Hand, sie sah aus wie ein Tier, eine behaarte Spinne etwa, die blind nach einer nicht vorhandenen Beute greifen will, sie war schrecklich, diese Hand, schrecklicher als das Gesicht des Alten, das zu harmlos war, um auch nur einen Augenblick schrecklich sein zu können. In dieser Sekunde hatte Cäsar bereits die Tür, die zur Küche führte, mit der Linken geöffnet. Schon hörte man das Brodeln der Töpfe vom Herd, schon roch man die Düfte der Speisen, man hörte, wie sich draußen die Frau Zipper schneuzte und räusperte. Die Klinke in der Linken, die Rechte vor sich als ein Schild, streckte Cäsar dem Vater eine rote lange Zunge heraus. Die Zunge war etwas Schamloses, Nacktes, gleichsam auch der weißen Haut Beraubtes. Sie streckte sich dem Vater entgegen wie eine Wunde und wie eine Flamme. Dabei kam ein düsteres Knurren aus dem Innern Cäsars, wie ein kleines Erdbeben. Im nächsten Augenblick war er verschwunden. Einige Male in der Woche – und sooft mich der alte Zipper zu einer Mahlzeit einlud – wiederholte sich diese Szene. Arnold kannte schon alle ihre Phasen, er interessierte sich nicht mehr für sie. Ja, es schien, daß er sie mit einer besonderen Zufriedenheit an sich vorüberziehen ließ, ich sah manchmal, wie er ein perfides Lächeln zu verbergen suchte und dennoch offenbarte, während des kurzen, wortlosen, nur von furchtbaren Bewegungen und unmenschlichen Lauten begleiteten Sturms, der zwischen dem Vater und dem Bruder wütete. Ich erinnere mich nicht, gesehen zu haben, daß Cäsar oder der 10
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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