Seite - 31 - in Zipper und sein Vater
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einen soliden Herrn. Alle soliden Herren sind eingerückt, und die Krüppel
sind schon mit Wohnungen versorgt. Zweitens wird Wandl zurückkommen.
Was wird man ihm sagen, wenn sein Zimmer vermietet ist? Es ist eine
Rücksichtslosigkeit sondergleichen, einem Feldgrauen das Zimmerhinter dem
Rücken zu vermieten!« Den Zettel warf Herr Zipper zum Fenster hinaus.
Eines Tages sah ich ihn mit einer schwarzen eisernen Uhrkette. Auch trug
er drei eiserne Ringe. »Gold gab ich für Eisen!« stand auf allen drei
eingraviert.
Einmal ging er mit Arnold und mir, Nägel in den »Eisernen Mann«
schlagen.
»Hier«, sagte er, »ich spendiere dir einen Nagel!« Und er kaufte für mich
einen Nagel, weil ich kein Geld hatte. Er selbst schlug nicht weniger als fünf
ein.
Jede Woche kam er mit einem neuen Abzeichen. Er trug das schwarzgelbe
Kreuz, das silberne und ein Edelweiß am Hut. Einer der
Wohltätigkeitsvereine, denen er angehörte, veranstaltete eine Sammlung alter
Kleider und warmer Wollsachen für unsere Krieger zu Weihnachten. Zipper
selbst begleitete den Wagen, einen großen Trainwagen. Vor jedem Haus hielt
er, ging mit einer Glocke in den Flur und nahm die Geschenke entgegen. Er
fuhr eine Woche lang herum, die ganze sogenannte Warme-Woll-Woche.
Jeden Abend kam er spät nach Hause. Sein Papier-Kommissionsgeschäft
begann langsam einzuschlafen. Nur von einem patriotischen Verein, der unter
dem Protektorat der Gräfin Windischgrätz stand, bekam er jeden Monat einen
Auftrag, Drucksorten zu beschaffen. Auch im militärgeographischen Institut
war man auf Zipper aufmerksam geworden. Eine Zeitlang schien es, als
würde er bei der Papierlieferung für das Werk »Unsere Helden im Winter«
etwas verdienen. Da kam ein anderer und machte das Geschäft.
Nein! Zipper verdiente immer weniger. Im Jahre 1915 gab er endlich zu,
daß der Salon vermietet würde – und zwar nur an eine Militärperson. Es war
der superarbitrierte Oberleutnant Mauthner vom Kriegsministerium. Dieser
Offizier, in Zivil Antiquitätenhändler, kümmerte sich überhaupt nicht um den
Krieg. Er leitete im Kriegsministerium das Büro, das die Eintrittskarten für
die Besucher ausstellte. Am Abend zog der Oberleutnant seine Zivilkleider an
und ging ins Kaffeehaus, wo er Geschäftsfreunde traf. Mit der Zeit stellte es
sich heraus, daß Zippers Salon dem Oberleutnant nur als Absteigquartier
diente. Der Herr Mauthner wohnte mit Frau und Kindern in sechs Zimmern
außerhalb der Stadt. In Zippers Salon quartierte er das Fräulein Minna vom
Rathauscafé ein. Er zahlte aber gut und war schließlich ein Oberleutnant.
Endlich kamen Arnold und ich zum Militär. Einen Monat später war auch
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Buch Zipper und sein Vater"
Zipper und sein Vater
- Titel
- Zipper und sein Vater
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1928
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 112
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, Österreich, Wien
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 8
- Kapitel 3 13
- Kapitel 4 18
- Kapitel 5 22
- Kapitel 6 25
- Kapitel 7 28
- Kapitel 8 36
- Kapitel 9 42
- Kapitel 10 45
- Kapitel 11 54
- Kapitel 12 62
- Kapitel 13 68
- Kapitel 14 74
- Kapitel 15 77
- Kapitel 16 83
- Kapitel 17 88
- Kapitel 18 94
- Kapitel 19 97
- Kapitel 20 101
- Kapitel 21 104
- Brief des Autors an Arnold Zipper 110