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Zipper und sein Vater
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Wir sahen uns an, Arnold und ich, und begannen, eine Wurst zu essen. nbsp; Zwei Monate später verlor Cäsar sein linkes Bein. Der alte Zipper teilte diese Begebenheit Arnold mit: »Er bekommt eine tadellose Prothese!« schrieb der alte Zipper. Und die Mutter schrieb nur eine einzige Zeile dazu. Man sah, wie ihre Hand gezittert hatte. Ich erinnere mich deutlich an ihre Schrift. Die Buchstaben lagen wie Bündel dünner Drähte über- und nebeneinander. »Bleibe ganz und gesund!« schrieb die Frau Zipper. Arnold aber bekam einen Steckschuß und Urlaub und die Leutnantscharge. Was gab es Schöneres für den alten Zipper. Er ließ sich photographieren als Feldwebel, der Sohn als Leutnant daneben. Arnold schickte mir die Photographie. Da stand der alte Zipper, hielt seine Hand auf der Schulter des Leutnants und blickte starr geradeaus. Immerhin war er älter geworden. Seine Wangen hingen schlaff an den Gesichtsknochen, und auf der Hand, die des Sohnes Schulter hielt, sah man Krampfadern. Arnold schrieb, es ginge jetzt nicht mehr so schlecht. Die Mutter beziehe Geld für alle drei eingerückten Männer. Cäsar würde jetzt versorgt werden, weil er ja ein Bein verloren habe. Ein wenig später bekam ich Urlaub. Da sah ich, wie die Frau Zipper um Mitternacht mit einem Schemel und einem halbgestrickten Strumpf, mit Brille und Topf und Markttasche vor den Laden ging, um am Morgen Fleisch und Milch zu holen. Immer noch sprach Zipper zu seiner Frau in der dritten Person. Dennoch stand er um drei Uhr morgens auf, um seine Frau abzulösen. Cäsar hätte als Invalider, ohne zu warten, alle Nahrungsmittel bekommen können. Aber er kam nur einmal in der Woche aus dem Spital nach Hause, am Samstagnachmittag, humpelte zur Lade in der Kommode, wo die Mutter ihre Geldbörse verbarg, leerte sie und begab sich ins Wirtshaus. Er war finster geworden, seine kurze Stirn schien noch kürzer zu sein, sie bestand nur noch aus einem kleinen Stückchen tausendfach zerknitterter Haut. Immer hing ein trauriges, dumpfes Lächeln in seinen Mundwinkeln, es war wie das Abzeichen eines selbstgefälligen Stumpfsinns, wie der Anfang eines Fluches und wie der Beginn einer Verwandlung aus dem Menschen zum Tier. Er bekam eine Prothese, die nicht paßte, er warf sie weg. Er zerbrach eine Krücke nach der andern. Wenn die Mutter ihn im Spital besuchte, versteckte er sich im Klosett. Man schickte ihn ins Irrenhaus. Er bekam einen Wutanfall, wurde in die Tobsuchtszelle gesperrt, weinte, wurde sanft, sprach nichts mehr. Er begann Zeitungspapier zu essen. Die Irrenhäuser füllten sich, man konnte ihn nicht mehr behalten, man schlug den Zippers vor, ihn nach Hause zu nehmen. 33
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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