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Zipper und sein Vater
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keine Gedanken. Um zwei Uhr dreißig mußt du zum Rapport erscheinen. Du weißt ganz genau, wie der Oberst aussieht, was er sagt, was er befiehlt, womit er dich straft. Es steht im Dienstreglement. Hat den Oberst der Schlag getroffen oder die Kugel, so steht dort der Major. Wenn er nicht da ist, der Hauptmann. Wenn niemand da ist, hast du dir selbst alles zu sagen, hast du alles zu tun, was für deinen Fall zutrifft. Wie herrlich ist diese Welt eingerichtet. Es gibt keinen Zweifel, keine Ungewißheit, kein Gewissen, keine Sorge. Gibt es kein Brot, so hungerst du. Fünfundzwanzig Zigaretten hast du im Tag. Um sechs Uhr früh wird marschiert. Um halb fünf Uhr weckt man dich. Um fünf Uhr bekommst du schwarzen Kaffee.« »Hör auf!« rief Zipper. »Man könnte glauben, du rätst mir, wieder einzurücken. Es ist zu spät. Es gibt keinen Krieg mehr vorläufig.« »Ich rate dir«, sagte ich, »eine Frau zu nehmen.« »Soll ich mich verlieben?« »Vielleicht sogar: dich verlieben. Auf jeden Fall hilft dir eine Frau. Sie hilft dir zu der Täuschung, daß du noch etwas in dieser Welt zu suchen hast. Sie will Kleider und Schuhe, eine Wohnung und Essen und manchmal ein Kind. Wenn du für etwas zu sorgen hast, bildest du dir leichter ein, du hättest auch für etwas zu leben.« »Ich war ein einziges Mal verliebt«, sagte Arnold. »Wirklich verliebt. Kanntest du Erna Wilder? Sie war meine Nachbarin. Als Kinder trafen wir uns in der Früh, wenn wir zur Schule gingen, und wenn wir heimkamen. Ihre und meine Eltern hatten einmal eine Ferienreise gemacht. Wir waren in einem schlesischen Bad, wir bewohnten die gleiche Villa. Unsere Väter waren Geschäftsfreunde. Wilder ging es nicht glänzend, aber immerhin ging es ihm besser als meinem Vater. In jenem Bad konnten wir nur zwei Wochen bleiben, die Wilders blieben länger. Aber in der Erinnerung kommen mir diese zwei Wochen wie sechs vor – so viel habe ich dort erlebt. Ich war fünfzehn Jahre alt, sie war dreizehn, glaube ich. Den ganzen Tag spielten wir zusammen, da waren wir fast im gleichen Alter. Es gab einen Berg, man nannte ihn ›Gloriette‹. Ein Serpentinenweg führte hinauf. Unterwegs standen Bänke, Liebespärchen saßen dort. Bei Tag sahen wir sie nicht oder sahen an ihnen vorbei. Wir hatten Wichtigeres zu tun. Hirschkäfer zu suchen, Eicheln zu sammeln, Schmetterlinge zu fangen. Wenn es aber dämmerte, verwandelte sich Erna. Gingen wir an einem Liebespaar vorbei, so drängte sie sich einen Augenblick an mich, lief dann weg, wartete, bis ich sie erreicht hatte, und lachte leise. Es war dunkel, ich wußte nicht mehr, wie sie aussah, wenn sie zu lachen anfing. Es schien mir, daß sie sich in eine fremde Frau verwandelt hatte, es war nicht ihre Stimme, sie lachte nicht so, wie sie bei Tag zu lachen pflegte. Dann wollte ich sie fassen, um zu fühlen, daß sie es noch ist, die dort 51
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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