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Zipper und sein Vater
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daß Arnold so dachte wie er selbst. Konnte es etwas anderes sein als die Aussichtslosigkeit, jemals nach Verdienst behandelt zu werden, was seinen Sohn veranlaßte, eine so gute Stellung aufzugeben? – Nein! – Also hatte Arnold recht. Eine Frau, in die Arnold sich verlieben konnte, mußte eine außergewöhnliche Frau sein. Und der alte Zipper brannte danach, sie zu sehen. Er erinnerte sich ihrer noch aus dem schlesischen Bad und war aus dem Gedächtnis verliebt. »Nicht wahr«, sagte er, »sie ist blond?« Denn die Blonden gefielen ihm. »Nein«, erwiderte Arnold, »sie ist braun.« Er wollte nicht schwarz sagen. »Aber ich erinnere mich doch deutlich, daß sie helle Augen hat?« »Ja«, sagte Arnold, um nachzugeben, »wenn sie lacht, werden ihre Augen allerdings hell.« »Sie muß aber doch schon groß und stark geworden sein?« »Sie ist klein und zart geblieben.« »So, so«, sagte Zipper, »die Mode will es heutzutage, daß die Frauen zart sind. Will sie denn wirklich eine Schauspielerin werden?« »Ja, warum denn nicht?« »Da könnt ihr aber doch gar nicht heiraten?« »Das muß ja nicht sein! Wer spricht denn vom Heiraten?« »Freilich, das muß nicht sein!« bekräftigte der alte Zipper, der schon immer für die Lockerung der Sitten gewesen war. Er war kein Reaktionär, er ging mit der Zeit. Einigemal kam Fräulein Erna in das Haus der Zippers. Weshalb denn nicht? Sie stammte aus einem ähnlichen Haus, sie war im Begriff, es zu verlassen. Sie haßte die täppische Zärtlichkeit ihres Vaters, den kleinbürgerlichen Hochmut ihrer Mutter, ihre stete Empfindlichkeit, die Szenen, die sie dem Mann machte, wenn er einmal mit zu geringen Geschenken von einer Reise kam, ihre wachsame Furcht, man könnte ihr gegenüber nicht »aufmerksam« genug sein. Wie aus diesem Haus am schnellsten fliehen? – Fräulein Erna erfand die »innere Berufung«, der kein gutmütiger Vater und keine eitle Mutter widerstehen können. Und es zeigte sich in der Folge, daß sie gescheit genug war, um sogar Talent zu haben. Nichts ist unmöglich. Schon führte sie das »eigene Leben«, das sie sich immer gewünscht hatte. 66
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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