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Zipper und sein Vater
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Hand die andere in der Öffentlichkeit wäscht – was eine der wenigen Tugenden dieser Welt ist –, schämte sich Zipper gar nicht, im Kaffeehaus oder im Klub zu erzählen, daß er »Coups contrecarrierte« und »Chosen deichselte« im Interesse seiner Frau, mochte sie auch noch so wenig interessiert sein an dem, was Arnold tat. Denn sie kümmerte sich nicht um ihn. Sie wohnte außerhalb der Stadt, im Westen natürlich, der vornehmen Himmelsgegend, dort, wo eine Kolonie gutbezahlter Künstler den Bankdirektoren nahe war, den Politikern, den Industriellen. Sie wohnte mit drei Freundinnen, zwei Windhunden, die damals sehr modern waren, an Potsdam erinnerten und mit ihrer zerbrechlichen, dummen Grazie Eindruck machten, einem Gärtner und einem Chauffeur in einer Villa – – selbstverständlich in einer Villa. Die Buddhas begannen schon in der Halle und setzten sich bis ins Schlafzimmer fort. Eine ihrer Freundinnen war Morphinistin – des guten Tons halber – und besaß ein Grammophon, das sie in den Schlummer sang. Es spielte den ganzen Tag, man hörte sein fernes Ächzen, mit dem es die Melodien begleitete, durch alle Türen und das sanfte Quietschen der Kurbel, wenn man es aufzog. Oben, in einem Zimmer, das nur Sofas und Windhunde und Buddhas enthielt, lebte Arnolds Frau, wenn sie nicht im Atelier war. Zu Hause trug sie des Morgens einen Kimono, zum zweiten Frühstück, das sie um vier Uhr nachmittags einnahm, ein sogenanntes »Déshabillé« aus durchsichtiger und plissierter Seide, und sie glitt aus diesem Gewand – das ja ihre Tageszeit war – sofort in den Abend hinein, das heißt: in die »Toilette«. Dann empfing sie Gäste. Es waren ihre Kollegen aus den benachbarten Villen, lauter Lieblinge des Publikums, dämonische, sarkastische, lyrische, Verführer – und plebejische Typen, Schwerenöter und unwiderstehliche Bezwinger des Schicksals. Ach, wie sahen sie gleichmäßig aus und harmlos! Sie waren nicht geschminkt, es leuchteten keine Lampen, es befahl kein Regisseur. Sie hatten niemandem zu gehorchen als der Sitte, die ihnen befahl, zweimal innerhalb von fünf Jahren zu heiraten und dreimal in einem Jahr bestohlen zu werden. Wenn man sie sah, wie sie Karten spielten, Buki-Domino, wie sie panierte Schnitzel aßen und nach den wehenden Blättern des Salats schnappten, wie sie Liköre mischten und zum Grammophon tanzten, so verstand man nicht, was sie eigentlich dazu trieb, Schauspieler zu sein, durch weite, von Lärm erfüllte, wüste Ateliers zu hasten, in merkwürdigen Kostümen, was sie veranlaßte, Tränen zu vergießen und Throne aus Pappendeckel zu besteigen, auf Pferden zu galoppieren und auf Schiffen unterzugehen; weshalb sie ferner ihr privates Leben in den Glasvitrinen ausstellten, in den Zeitungen druckten, Biographen mitteilten, einen Klatsch um sich selbst erzeugten, logen und dementierten, 79
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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