Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Zipper und sein Vater
Seite - 99 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 99 - in Zipper und sein Vater

Bild der Seite - 99 -

Bild der Seite - 99 - in Zipper und sein Vater

Text der Seite - 99 -

»Was macht Erna?« »Es geht immer besser. Sie nimmt zu und sorgt schon wieder fürs Magerwerden. Sie ist entschlossen, wieder zu spielen. Ich glaube aber nicht daran. – – Sie ist mir übrigens ganz gleichgültig.« »Gleichgültig?« »Ja, warum nicht? Ich bin nicht verliebt. Wir leben wie ein altes Ehepaar. Ich bin nur zu faul, um mich von ihr zu trennen. Ich habe mich schon so daran gewöhnt, an diesen Spielsaal, an den täglichen Autocar nach Nizza und zurück, an Erna, die beim Fenster sitzt oder am Wasser. Ich lebe nicht schlecht.« Ich fuhr weg, Arnold versprach mir zu schreiben. Er schrieb nicht mehr in den nächsten Monaten. Einmal las ich in einer Zeitung, daß Erna wieder zum Film zurückgekehrt sei. Sie werde nach Amerika gehen. Einige Monate später sah ich einen amerikanischen Film, in dem sie spielte. Es war ein »Spielfilm«, wie die technische Bezeichnung lautet. Erna war eine Frau in reifen Jahren, Rivalin einer Sechzehnjährigen in dem Kampf um einen Mann in den Vierzigern. Die Sechzehnjährige war ihre Nichte. Diese hatte die meisten Chancen, weshalb Erna Sympathien gewann. Sie siegte am Schluß. Sie hatte klug, aufrichtig und überlegen zu sein, ein wenig hart, voll bitterer Kenntnis des Lebens, skeptisch in bezug auf Männer, aber mit einer genügend starken Quantität Herz begabt, um in der Einsamkeit traurig zu werden; jedoch wieder nicht so sentimental, daß sie etwa geweint hätte. Man sollte vielmehr wissen, daß jede andere an ihrer Stelle geweint hätte. Sie aber war von jenen, welche die Tränen, wie man sagt, tapfer verschlucken. Im Leben wäre sie freilich von der Sechzehnjährigen verdrängt worden. Denn das Leben ist gerecht und sparsam mit Erfolgen gegen jene, die gezeigt haben, daß sie auch ohne äußeres Glück zu bestehen wissen. Die besondere Filmgerechtigkeit der Vereinigten Staaten aber krönte die Verdienste Ernas. Ich konnte noch erkennen, wie sie leise hinkte. Das Publikum merkte es gewiß nicht. Wahrscheinlich, dachte ich, wird sie in dem zauberhaften Hollywood eine neue Hüfte aus Platin oder auch aus Alabaster bekommen, damit das schwache Bein in einer zuverlässigen Wurzel hafte. Was konnte man nicht alles in Amerika. Es tat mir leid, daß ich nicht sehen konnte, wie sie drüben ihre Karriere arrangiert hatte. Dieser Film, den ich jetzt sah, gab mir nur eine ferne Ahnung von allen Experimenten, die ihm vorangegangen waren. 99
zurück zum  Buch Zipper und sein Vater"
Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zipper und sein Vater