Seite - 109 - in Zipper und sein Vater
Bild der Seite - 109 -
Text der Seite - 109 -
wir vergessen nicht, wir sehen gar nicht. Wir geben nicht acht. Es ist uns
gleichgĂĽltig. Das Schicksal der Menschen, des Landes, der Welt, was geht es
uns an? Wir machen nicht Revolutionen, wir treiben passive Resistenz. Wir
empören uns nicht, klagen nicht an, verteidigen nicht, erwarten gar nichts,
fürchten gar nichts – – daß wir nicht freiwillig sterben, ist alles. Wir wissen,
daĂź noch einmal eine Generation kommen wird, die so sein wird, wie unsere
Väter waren. Noch einmal wird Krieg sein. Wir betrachten das lächerliche
Gehabe derer, die an der Traurigkeit der Welt leiden – wie Sie –, derer, die im
Krieg nicht waren – und der Jungen, die an dem Willen leiden, etwas zu
bessern, zu verändern. Wenn Skepsis nicht auch eine Teilnahme voraussetzen
würde, dann hätte ich gesagt: wir sind Skeptiker. Aber wir nehmen überhaupt
nicht teil. Sie verspotten das Pathos. Wir aber glauben auch nicht an den
Witz. Siehassen die Reaktion. Wir zweifeln auch an den Erfolgen der
Revolution. Was wollen Sie? – Wir sind irrtümlich zurückgekommen.«
P. schwieg.
Ich betrachtete die Kinder, die aufgeregt ihre Spielzeuge sammelten, nichts
wollten sie vergessen, unerbittlich entriß jedes, was ihm gehörte, dem
Spielgenossen. Aber der grĂĽne Frieden des Mittags im Park, die sanften,
blonden Gesichter der Kindermädchen und die tiefen Gesänge der Glocken
versöhnten mich mit allem, was da war – – auch mit den traurigen Instinkten
der kleinen Menschen und mit der Stumpfheit der Alten.
Selbst die Fliegen summten, als wollten sie die Glocken nachahmen …
109
zurĂĽck zum
Buch Zipper und sein Vater"
Zipper und sein Vater
- Titel
- Zipper und sein Vater
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1928
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 112
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, Ă–sterreich, Wien
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 8
- Kapitel 3 13
- Kapitel 4 18
- Kapitel 5 22
- Kapitel 6 25
- Kapitel 7 28
- Kapitel 8 36
- Kapitel 9 42
- Kapitel 10 45
- Kapitel 11 54
- Kapitel 12 62
- Kapitel 13 68
- Kapitel 14 74
- Kapitel 15 77
- Kapitel 16 83
- Kapitel 17 88
- Kapitel 18 94
- Kapitel 19 97
- Kapitel 20 101
- Kapitel 21 104
- Brief des Autors an Arnold Zipper 110