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Wie sich die Welt in letzten 80 Jahren änderte#

H. Maurer, Mai 2019, www.iicm.edu/maurer

Vorbemerkung#

In diesem Beitrag berichte ich über Entwicklungen in den letzten 80 Jahren aus sehr persönlicher Sicht. Ich behandle einige große Themenbereiche, aber mit Lücken bei den vielen Dingen, mit denen ich mich weniger beschäftigt habe.

Abschnitt 1: Bevölkerungsentwicklung#

Die Zahlen#

Wie ich beginne, diesen Bericht zu schreiben, leben auf der Erde 7,704,758,180 Menschen, zurzeit also ca. 7,7 Milliarden. 1900 waren es noch 1,6, zur Zeit meiner Geburt 2,2, die Prognosen für 2050 bzw. 2100 sind 10 bzw. 11,5.

Während meiner knapp 80 Jahre Lebenszeit hat sich also die Bevölkerung mehr als verdreifacht! Selbst die Bevölkerung in Österreich ist seit 1940 von 6,6 auf heute 8,9 Millionen gewachsen, vor allem durch Zuwanderung. Darf es dann wundern, wenn immer mehr zubetoniert wird, Verkehr, Energie- und Rohstoffbedarf dauernd wachsen, die Umwelt zunehmend stärker belastet wird, noch dazu weil in vielen Teilen der Welt der Lebensstandard stark steigt, wodurch die notwendigen Ressourcen und Ansprüche (Reisen, eigenes Auto, komfortables Wohnen,…) per Kopf auch noch wesentlich größer werden? Hätten wir nicht in vielen Teilen der Welt zunehmend bessere Abfall- und Abwasserbeseitigung, effizientere Autos, produktivere Landwirtschaft, neue Methoden der Energiegewinnung und hilfreiche Technologien und Entwicklungen in anderen Bereichen, dann wäre die gegenwärtige Situation kaum mehr tragbar.

Wie viele Menschen kann das Raumschiff Erde auf Dauer aushalten? Diese Frage untersuchten zwei Kollegen und ich schon vor über 25 Jahren am IIASA in Laxenburg bei Wien, indem wir dutzende Modelle (energetische, rohstoffbetreffende, ökologische, ökonomische, usw.) mit den verschiedensten Parametern untersuchten um herauszufinden, wo die Grauzone zwischen 100 Millionen und 100 Milliarden Menschen als vernünftige Bevölkerungszahl für die Welt auf Dauer (sprich über weitere 50.000 Jahre) sein könnte. Die Ergebnisse schwankten enorm abhängig vom Modell und den Parametern, aber das Ergebnis war erschütternd: Als Maximum ergab keine Annahme mehr als 1 Milliarde Menschen. Jedes Schweigen, jedes Schönreden, dass auch 10 Milliarden Menschen mit einem akzeptablen Lebensstandard diese Welt langfristig bewohnen können ist einfach falsch. Die Welt ist schon jetzt dramatisch überbevölkert. Das heißt nicht, dass man nicht auch noch 500 Jahre mit einer zu hohen Bevölkerungszahl durchkommen wird müssen (und können), aber dass sofort an einer allmählichen Reduktion der Weltbevölkerung gearbeitet werden muss. Das Ziel ist nicht Nullwachstum, sondern negatives Wachstum!

Ein Österreich mit 2 Millionen Menschen (dann hätten wir noch immer eine Bevölkerungsdichte höher als Neuseeland!) in einem Europa das auf ¼ geschrumpft ist - was für ein schönes Land wäre das! Energie fast nur aus Wasserkraft, keine Verkehrsstaus, mehr Grünland, keine Probleme mit Ressourcen oder schlechter Luft, usw.

Ist ein Zurück möglich?#

Es ist bedrückend, dass diese Problematik so wenig diskutiert wird, und dass kaum etwas unternommen wird, das Wachstum der Bevölkerung zuerst zu stoppen, ja pro Generation um ein paar Prozent zu reduzieren. Wenn ich diese Frage bei Freunden aufwerfe erhalte ich eine halbe Zustimmung: „Ja, wäre gut, aber man kann dagegen kaum was tun.“ Letzteres ist einfach falsch: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Bevölkerung allmählich durch Senkung der Reproduktionsrate auf eine Größe, wie sie in Europa oder Japan schon Faktum ist, zu verkleinern. Zwei mögliche Maßnahmen habe ich unter Die Bevölkerungbombe beschrieben, werde sie also hier nicht wiederholen.

Es gibt auch andere ethisch durchaus vertretbare Methoden in eine andere Richtung, hier ist eine besonders futuristische. Die Menschen wurden nach dem Jenaer Institut für Humangenetik innerhalb eines Jahrhunderts um 15 Zentimeter größer! Drehen wir diesen Trend mit Hilfe moderner Biologie und Medizin um: Sorgen wir dafür, dass jede Generation im Schnitt 1% kleiner wird als die vorhergegangene. Der Energieverbrauch wirkt sich mit der dritten Potenz der Körpergröße aus: Der durchschnittliche Mann in Europa könnte dann eines Tages 1,20 m statt 1,80 m hoch sein, und damit nur mehr 1/3 Energie und sehr viel weniger Platz benötigen!

Wenn man über Bevölkerungswachstum spricht kommt man zwangsweise auf das Thema Migration.

Abschnitt 2: Migration #

Afrika, als ein Beispiel, wird ungebremst bis 2100 um mindestens 2 Milliarden Einwohner wachsen. Es ist nicht abzusehen, wie diese menschenwürdig leben werden können. Durch kriegerische Auseinandersetzungen wird der Druck zu emigrieren, oder wo anders Asyl zu beantragen, weiter wachsen.

Man beachte, dass Asyl ein sehr zweischneidiges Schwert ist: Ein Mensch, dessen Leben in seiner Heimat bedroht ist, hat Anrecht auf Asyl, bis die Bedrohung vorüber ist. D.h. aber, dass eine Integration in die Gesellschaft, in die der Asylant geflüchtet ist, gar nicht wünschenswert ist, sondern die Vorbereitung auf sein weiteres Leben wieder in der Heimat, oder in einem Land, wo seine Arbeitskraft gerne gesehen wird. Hier ist die Asylpolitik in vielen Ländern falsch aufgestellt: Man versucht alle Asylanten zu integrieren, anstelle jene, die man im Lande auf Grund ihre Fähigkeiten ohnehin gut unterbringen kann, zu Bürgern des Landes zu machen, die anderen aber auf Rückführung oder Immigration in ein anderes Land vorzubereiten (was in Österreich oft heißen wird: Ihnen nicht Deutsch sondern Englisch oder Spanisch als stärker verbreitete Sprachen zu vermitteln.)

Bei der Immigration sollte man auch immer die Bevölkerungsdichten der Länder im Auge haben. Österreich liegt mit Dichte 100 (EW/qkm) nahe bei der Dichte der Türkei, im Mittelfeld. Deutschland mit 230 im oberen Fünftel, aber Rumänien (fast dreimal so groß wie Österreich) hat nur Dichte 90, das große Äthiopien oder das noch größere Mexiko (22 Mal größer als Österreich) haben nur Dichte 70 bzw. 60, Südafrika 50, Zimbabwe und USA ca. 35, Brasilien, Peru und Chile alle unter 25, alle nordeuropäischen Staaten unter 20.

Abschnitt 3: Technologie#

So stürmisch wie die Bevölkerung hat sich auch die Technologie entwickelt. Einige Anmerkungen dazu im Folgenden, aber Mobilität, Kommunikation und Computer werde ich getrennt behandeln.

Atombomben und Atomenergie#

Ein einschneidender Punkt war die Auslöschung von Nagasaki und Hiroshima durch Atombomben. Seit diesem Zeitpunkt schwebt das Damoklesschwert einer nuklearen Katastrophe über uns. Durch Abkommen zwischen Russland und USA zwischendurch etwas entschärft hat sich die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung wieder sehr vergrößert.

Besonders absurd ist es, dass die nützliche Anwendung der Atomenergie für die saubere Erzeugung von Elektrizität in einigen Ländern ein völliges Tabu ist. Das Problem der Endlagerung von radioaktiven Abfällen wird im Vergleich zur Entsorgung von Kohlenasche, Solarzellen, Lithiumbatterien, usw. unglaublich übertrieben: Wenn man wollte, könnte man mit einem Bruchteil der erzeugten Energie den radioaktiven Abfall heute oder irgendwann bald in die größte Müllentsorgungsanlage des Sonnensystems, nämlich in die Sonne, schießen! In den letzten 30 Jahren sind durch Autos über eine Million Menschen pro Jahr ums Leben gekommen; durch Atomkraftwerke pro Jahr NULL[1]. Dabei sind die gegenwärtigen Uranspaltkraftwerke nur ein Zwischenschritt in der Beherrschung der Kernenergie.

Neben den Uran Reaktoren wird schon lange im Bereich Flüssigsalz-Thorium Reaktoren geforscht (zwei große sollen angeblich 2020 in China in Betrieb gehen) und kleine Prototypen wurden erfolgreich gebaut. Die Hauptvorteile sind, dass bei diesen eine Kernschmelze unmöglich ist, weniger und kürzer strahlende Abfälle entstehen, und dass Thorium in größeren Mengen und billiger gewinnbar ist als Uran.

Der Einsatz von Fusionskraftwerken, der in Europa z.B. über den Bau des Prototyps ITER oder das Max Planck Institut für Plasmaforschung in München, verfolgt wird, hat begonnen, wird aber bis zum vollen Einsatz wohl noch Jahrzehnte dauern. Bis dahin werden wir vom einzigen großen Fusionsreaktor im Sonnensystem – unserer Sonne - nur kleine Krümel verwenden, z.B. über Solarzellen, Solarkraftwerke, Windräder, aber vor allem über alle Pflanzen und das Leben insgesamt, weil ja das alles nur durch die Fusionsenergie der Sonne leben kann. Natürlich kann man aus Erdwärme Energie gewinnen, wie wir insgesamt viel zu oft zu wenig Phantasie beweisen.

Gegner der gegenwärtigen Atomreaktoren scheinen übrigens oft zu vergessen, dass großen Unterseeboote und Flugzeugträger seit Jahren über Atomreaktoren betrieben werden, und dass tausende (!) Raumsonden nur deshalb noch immer Nachrichten senden können, weil sie von Atombatterien gespeist werden. Das Paradebeispiel ist Voyager 2, der seit 1977 unterwegs ist und das Sonnensystem schon lange verlassen hat. Er ist mit 55.000 km/h unterwegs, inzwischen 18 000 000 000 (16,5 Lichtstunden) von uns entfernt, und sendet noch bis 2025 Daten zur Erde. Nicht vergessen werden darf, dass radioaktives Material bei jeder Strahlentherapie in der Medizin zum Einsatz kommt.

Medizin #

Die Strahlentherapie ist eine der großen Durchbrüche der Medizin in meiner Generation. Aber eben nur einer von vielen.

1928 entdeckte Alexander Fleming Penicillin, aber es wurde erst ab 1942 für die Behandlung von Infektionen angewendet. Heute ist eine Medizin ohne Antibiotika nicht mehr denkbar. Die Immunisierung durch Impfungen hat machen Krankheiten wie die Pocken ausgerottet – ich habe noch Narben von der damals verpflichtenden Pockenimpfung bei meiner ersten Reise nach Kanada – viele Krankheiten haben durch Impfung ihre Gefahr verloren: Scharlach, Kinderlähmung, Tuberkulose, Gelbfieber, usw.

Behandlungsmethoden haben sich dramatisch geändert: Ich hatte 1998 einen Infarkt und war wochenlang in der Intensivstation: mehr als blutklumpenlösende Mittel konnte man kaum anwenden. Ich hatte 30 Jahre später, 2018, wieder einen Infarkt. Es wurde ein Stent gesetzt, und ich konnte nach 2 Tagen als geheilt entlassen werden.

Bereits am 3. Dezember 1967 war übrigens ein Wunder geschehen: Christiaan Barnard hatte in Kapstadt die erste Herztransplantation durchgeführt. Bis September 1970 wurden schon 164 Herzen transplantiert. Freilich war die Überlebenszeit selten mehr als 2 Jahre. Inzwischen werden allein in Deutschland jährlich ca. 400 Herzen transplantiert, mit einer fast 80% fünfjährigen Überlebenschance. Viele andere Organe können heute schon fast routinemäßig ersetzt werden.

Patienten werden auch vermehrt künstliche Teile eingesetzt: Aktive, wie Herzschrittmacher, passive wie neue Gelenke, neue Hüften, usw. Viele Operationen können bereits mit der „Knopflochmethode“ ausgeführt werden: über eine kleine Öffnung wird eine winzige Kamera mit Lichtquelle eingeführt, über einen kleinen Schnitt kann zur Operation notwendiges Werkzeug eingesetzt werden. So entfernt man heute z.B. eine Gallenblase mit Gallenstein, oder mir im Mai 2019 Knochensplitter nach einem Unfall aus dem Kniegelenk!

All das sind nicht mehr als einige einfache Beispiele dafür, wie sich die Medizin entwickelt hat. Dabei konnte ich neue Medikamente (z.B. für Immun-Unterdrückung, die für Transplantationen von entscheidender Bedeutung sind), bildgebende Verfahren (wie neuartige MR Methoden), Fortschritte in der Zahnmedizin oder in der Veterinärmedizin etc. gar nicht erwähnen. Die Fortschritte in der Medizin gehören jedenfalls zu den großen positiven Errungenschaften.

Gentechnik#

Dabei werden allmählich auch gentechnische Entwicklungen für die Medizin an Bedeutung gewinnen werden, obwohl Gentechnik für viele in Österreich ein Reizwort ähnlich wie Atomenergie ist.

Natürlich kann Gentechnik auch fatale Folgen haben, aber wenn die Forschung auch in diesem Bereich geknebelt wird, werden wir eines Tages nicht nur Strom oder Atomreaktoren aus China einführen müssen, sondern auch neue Gemüse- und Tiervarianten und neue medizinische Verfahren. Gentechnische Methoden inklusive Genschere sind so mächtig, dass man sie mit aller gebotenen Vorsicht erforschen und verwenden sollte. Wie lächerlich es z.B. ist, dass genmanipulierter Mais in Österreich nicht zugelassen ist zeigt der Aufsatz Genmais.

Sprache, Essen, Alltag#

Viele Aspekte unserer Gesellschaft haben sich in den letzten 80 Jahren stark verändert. Dazu gehört auch die Sprache. Viele Anglizismen haben als solche oder abgewandelt Einzug in Sprache und Schrift gefunden; manche Worte gelten heute als „politisch inkorrekt“ und sind verpönt; die Handy und Internettechnologie hat z.B. über SMS zu unglaublichen Verkürzungen und Abkürzungen geführt, die das Lesen längerer Darstellungen für manche kaum mehr erträglich machen. Selbst das Essen hat sich stark geändert, wie z.B. am Anfang des Buches Das Ende des Traums erzählt wird, oder in dem schönen Buch über die Historische Entwicklung der Nahrungskultur. Schließlich kannte man in meiner Jugend weder Pizza noch Spaghetti, weder Cevapcici noch Hamburger, weder Pommes Frites noch Kaspressknödelsuppe, weder Kiwis oder Mangos, auch nicht bei uns wachsende Früchte und Gemüsesorten, etwa Kohlsprossen oder Brokkoli. Umgekehrt, wer kennt heute noch Holsteinschnitzel oder Lederäpfel bzw. man kennt vielleicht die Speisen, aber findet sie (durch Tourismus beeinflusst) unter anderem Namen: vom Eisbein zur Flädlesuppe, vom Blumenkohl zur Tomate (die heute das Wort Paradeiser fast verdrängt hat), usw.

Unser Alltag hat sich massiv verändert und erleichtert. Ein größerer Haushalt ohne etwa Kühltruhe, Kühlschrank, Mikrowelle, Waschmaschine, Geschirrspüler, Staubsauger usw. ist kaum denkbar, aber auch viele der oft angegriffenen fertig- oder halbfertig-Gerichte wie Tiefgefrorenes, Suppen- oder Saucenpulver, usw. machen unser Leben heute sehr viel leichter als es früher war. Ob die „alte, gute Zeit“ also wirklich so gut war? Michel Serres bezweifelt das in seinem Buch: „Was genau war früher besser? – Ein optimistischer Wutanfall“ sehr!

Gefahren#

Neue Technologien haben unser Leben also sehr verbessert. Freilich bringen sie auch große Gefahren bis zur Vernichtung der Menschheit mit sich, ausgelöst durch atomare, chemische oder biologische Katastrophen, in Kriegen oder durch ungeplante Zwischenfälle. Nicht ohne Grund hat der Geniephysiker Steve Hawking nicht lange vor seinem Tode gemeint, die Menschheit könne letztendlich nur überleben, wenn sie das Weltall kolonisiert. Diese Aussage beruht auf einer (zu?) einfachen Rechnung: Nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Menschheit in einem Jahr durch eine Katastrophe auslöscht, ist 0.01 Prozent. Dann sind das in 10.000 Jahren 100%!

Abschnitt 4: Mobilität#

Die Zahlen#

Aus einem allerdings fast 2 Jahre alten Aufsatz zum Thema Vollmotorisierung verwende ich einige Zahlen (und einige aktuelle aus der Statistik Austria). Im Jahr 1956 gab es in Österreich 188.000 PKWs, d.h. auf die Einwohnerzahl bezogen sind das 2,7 %. 2019 gibt es schon über 5 Millionen PKWs, auf die Einwohnerzahl bezogen ca. 57%. Berücksichtigt man, dass Jugendliche unter 18 kaum ein Auto besitzen und auch Menschen über 80 selten, so bedeutet das, dass fast jeder erwachsenen Person ein PKW zuzuordnen ist. Umgelegt auf die registrierten Haushalte in Österreich ergibt das fast 1,3 Autos pro Haushalt.

Diese Motorisierung hat viel verändert: Zelturlaube außerhalb Österreichs waren mühsam (man konnte kaum die notwendigen Utensilien mitnehmen), Wochenendausflüge waren plötzlich in einem größeren Radius möglich, das Einkaufen verlagerte sich in große Shoppingcenters mit genügend Parkfläche, das Wohnen außerhalb der Städte, denn das Einpendeln zur Arbeit wurde attraktiver, etc.). Mit der Zunahme der PKWs stieg auch die der LKWs (heute ca. 2 Millionen in Österreich). Touristen, Lieferungen aus dem Ausland und Transit vermehren den Verkehr zusätzlich. Eine Verlagerung auf die Schiene wäre mindestens für den Güterverker sinnvoll.

Meine Generation hat also den Aufstieg des Autos erlebt und beginnt, das ist meine mutige Aussage, den Anfang des Niedergangs des Autos, wie wir es kennen, zu erleben. Einerseits verzichten mehr und mehr Menschen in urbanen Gegenden mit gutem öffentlichen Verkehr auf ein eigenes Auto (die fallweise Miete eines Autos ist billiger), und überall ist die Betonung auf Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs. Aber ist nicht gerade der Individualverkehr eine der großen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts?

Autonome Fahrzeuge#

Dabei erscheint mir die Entwicklung autonomer Fahrzeuge entscheidend, aber anders, als das oft gesehen wird: Ich halte „Mischverkehr“ (das ist die Verquickung von autonomen Verkehr mit normalen Verkehr wie heute üblichen Autos, Fahrräder, Fußgänger, ...) für problematisch. Ich schlage vor, dass man anstelle der Verbesserung von Straßenbahnen und Buslinien eigene Spuren für autonome Kleinfahrzeuge (für mehr Platz werden mehrere Module elektronisch hintereinander gekoppelt) einführt. Diese kann man per Smartphone bestellen, und man wird damit einfach und bei jedem Wetter trocken hingebracht wo man will. Heutige Straßenbahnschienen und Busstreifen werden Wege für die autonomen Miniautos (Mautos) (fallweise kommt es dadurch zur Verlangsamung des klassischen Autoverkehrs und ermutigt zu dessen Verzicht). Falls anfangs nicht zu jedem Punkt ein Mautoweg führt, so muss man zu einer Stelle gehen, wo Mautos hinfahren können (das ist auf keinen Fall weiter als bis zur nächsten heutigen Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels). Natürlich gibt es viele Detailprobleme zu lösen, von denen einige z.B. in Die andere Zukunft der Autos diskutiert werden.

Bei weiten Strecken wird man natürlich U-Bahn, Bahn oder Flixbus nehmen, aber die An- und Abfahrt zu den Haltestellen erledigt man bequem mit dem Mauto. Und für mitgeführtes Gepäck gibt es auch gute Lösungen.

Luftfahrt#

Im gegenständlichen Zeitraum hat sich auch in der Luft viel verändert. Nicht nur waren 2018 in Österreich immerhin 30 Millionen Mal Menschen in Flugzeugen unterwegs. Ob bei Entfernungen unter 300 km nicht schnelle Eisenbahnen vorzuziehen wären und eine substanzielle Steuer auf Start- und Landung von Flugzeugen den unfassbaren Preiskampf bei Billigflügen abschwächen könnte, sei dahin gestellt. Aber interessant ist, dass sich die Drohnen durchaus in die Richtung meines Buches Kampf dem großen Bruder (hier sind die Drohnen der große Bruder) aus dem Jahr 2006(!) bewegen: in jeder Größe verfügbar, für Überwachung so klein wie Insekten, für Pakettranssport angedacht, für Personentransport? Wer weiß! Und sie helfen mit am Ende der Privatsphäre und erlauben (ACHTUNG: Video mit rechter Maustaste in eigenem Fenster öffnen) ganz neue Anwendungen. Haben wir mit solchen gerechnet?

Die Beförderung von Menschen durch die Luft mit Kleinfahrzeugen wird immer wieder „als bevorstehend“ in Zeitungen angekündigt. Technisch sind Kleinflugzeuge (vielleicht bald auch autonome?) kein Problem: Ein senkrecht startendes und landendes fliegendes Auto gibt es seit über 20 Jahren, den Moller siehe Abschnitt „Dritte Dimension“. Die Frage ist mehr, wie man den dann entstehenden Flugverkehr regelt. Wird ein Flughafen zum Start und zur Landung und eine Pilotenlizenz vorgeschrieben? Oder benötigt man wie bei Hubschraubern für jeden Flug eine Genehmigung? Und will man wirklich, dass in abgeschiedener Natur oder neben jedem Wohnhaus plötzlich Kleinflugzeuge (senkrecht) landen bzw. starten dürfen?

Auswirkungen auf Umwelt und Klima#

Mobilität ist auch ein Stichwort in Richtung Bedrohung der Umwelt und globale Erwärmung. Ob diese hauptsächlich durch Menschen ausgelöst wird, oder die Klimaveränderung wie eine von vielen in der Vergangenheit mit oder ohne Menschen auftreten würde kann man diskutieren. Dass der CO2 Gehalt der Luft ein entscheidende Faktor ist, wird oft angenommen, aber ist nicht bewiesen. Problematisch ist, dass man den Autos die Hauptschuld an der tatsächlich beobachtbaren stark steigenden CO2 Konzentration in der Luft gibt. Der CO2 Ausstoß aller Autos liegt aber nur bei 6% des erzeugten CO2. Allein die Zementindustrie ist für gleichviel CO2 verantwortlich. Gelingt es also, bei den Autos 50% einzusparen, so sind das 3% der gesamten CO2 Produktion, hilft also nicht wirklich. Aber auch in einem anderen Sinn ist die Dekarbonisierung im Sinne von weniger Produktion des „Giftes“ CO2 einfach Unfug, wie im Beitrag CO2- Feind oder Freund erläutert wird. Stark vereinfacht: Ohne CO2 gäbe es keine Pflanzen und damit kein Leben. Es geht also nicht so sehr um die Vermeidung der Erzeugung von CO2 sondern um die vernünftige Verwendung (und damit Vernichtung) des überschüssigen CO2. Kann man die Photosynthese verbessern? Sicher, z.B. binden Blaualgen 10 Mal mehr CO2 als Pflanzen, und natürlich ist jedes Stück Wald oder Grünland schon eine Hilfe. Man kann CO2 mit Stickstoff und Wasser zu Protein vergären. Man kann CO2 aus industriellen Großanlagen gut herausfiltern, und damit Ethanol herstellen wie F. J. Radermacher in seinem Beitrag „Methanolökonomie und Bodenverbesserung schließen den Kohlenstoffzyklus“[2] schlagend beweist. Einige (leicht angepasste) Passagen sind es wert wiederholt zu werden:

„Der Wohlstandsaufbau in den sich entwickelnden Ländern ist der eigentliche Treiber der steigenden CO2-Emissionen. Es drohen in Afrika (und in erheblichem Umfang auch auf dem indischen Subkontinent) die entscheidenden CO2-Zuwächse… Die Emissionen in den dortigen Ländern mit ihren rasch wachsenden Bevölkerungen werden dann sogar diejenigen von China übertreffen. Und die chinesischen Emissionen übertreffen bereits heute die der USA, Europa und Japan zusammengenommen“ und „Dass eine klimaverträgliche Lösung der Weltenergiebereitstellung… massiv auf synthetische Kraftstoffe zurückgreifen muss, thematisieren mittlerweile viele Studien“ oder „Das mit vollster Überzeugung vorgeschlagene Programm zur Rettung der Welt ist dabei von großer Schlichtheit und würde uns voll gegen die Wand fahren. Raus aus der Kohle, rein in die Welt der Elektroautos, Smart Grids, Umstieg aufs Fahrrad, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Urlaub in Deutschland machen, kein Fleisch mehr essen, nicht mehr fliegen. Kohle wird per se verteufelt“ und „Der Kern der Lösung ist die Recyclierung des Kohlenstoffs über Methanol… ein idealer Speicher für Energie“ und weiter „Die Energiedichte von Methanol (als Energiespeicher) ist 50 Mal so hoch wie diejenige von modernen Batterien… Methanol kann alle heute gebräuchlichen flüssigen und fossilen Brennstoffe ersetzen. Damit ist eine wesentlich einfachere, ökologischere und ökonomisch wirksame weltweite Energieversorgung möglich.“

Es ist wichtig zu verstehen, dass Elektroautos keine umweltfreundliche Lösung sind, allein weil die Lithiumbatterien ein großes ökologisches Problem sind. Autos mit Wasserstoffzellen oder Methanol-Motoren (s.o.) mögen da bessere Lösungen sein.

Abschnitt 5: Kommunikation#

Kommunikation als entscheidende Komponente#

Die Entwicklung der Kommunikation in den letzten 80+ Jahren hat die Welt entscheidend verändert. Dazu einige Beispiele: Als die Römer vom Cheruskerfürsten Arminius im Teutoburger Wald im Jahre 9 vernichtend geschlagen wurden waren dafür lokale Fehleinschätzungen des römischen Statthalters Varus (vor allem was Terrain anbelangte) verantwortlich. In Rom erfuhr man von der Niederlage erst sehr viel später: Als Kaiser Augustus das Haupt von Varus erhielt (der durch Selbstmord der Gefangenschaft entging) wird berichtet, dass Augustus in etwa rief: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!

Ohne Radio wäre der Aufstieg und der „Erfolg“ Hitlers vielleicht nicht möglich gewesen. Paulus, General der 6. Armee wollte aus dem Kessel in Stalingrad ausbrechen, aber er befolgte den über Telekommunikation übermittelten Befehl aus Berlin weiterzukämpfen (gegen besseres Wissen), wodurch von seinen 300.000 Soldaten ca. 210.000 ums Leben kamen. Von den restlichen 90.000, die in Gefangenschaft gingen, kehrten nach Kriegsende weniger als 6.000 zurück.

Globale Konzerne und Monopole wären ohne weltweite Kommunikation unmöglich. Das Fernsehen, als „nun-werden-alle gebildet-werden“ Medium angekündigt hat Moralvorstellungen, die kartenspielenden Männerrunden in Gaststuben, später den Dialog oder Gesellschaftsspiele in Familien u.m. zerstört, und viel Unfrieden gesät, weil es z.B. nichterfüllbare Wünsche weckt und soziale Kontakte verringert: Der deutsche Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte noch vorgeschlagen, das Fernsehen an 2-3 Tagen in der Woche nicht anzubieten. Nun gefährdet das Internet persönliche Verbindungen noch stärker. Dazu etwas mehr im folgenden Abschnitt, doch ein persönliches Erlebnis, das zeigt, wie stark Medien zwischenmenschliche Beziehungen ändern, sei noch exemplarisch berichtet.

Vereinsamung durch Medien?#

Ich flog 1962 das erste Mal von Wien nach Westkanada. In einer kleinen Propellermaschine ging es mit den notwendigen Tankstopps Wien - Frankfurt - Shannon (Irland) – Gander (Neufundland) - Montreal - Winnipeg - Calgary. Natürlich gab es im Flugzeug weder Radio oder Bildschirme. Man sprach mit den Mitreisenden, spielte Schach oder Karten, ging mit der Crew bei den Stopps in die Kantine für alle, usw. In Gander mussten wir einen Tag wegen Nebels bleiben: Es gab damals nur Privatunterkünfte, und wir bekamen von den freundlichen Neufundländern nicht nur neugierige Fragen („Steht der Dom in Wien noch?“) sondern auch eine Führung der der Art: „In dieser Richtung sieht man, wenn kein Nebel ist, ein Kirchlein auf einem kleinen Berg.“ Obwohl wir also bei der Führung gar nichts sahen, war es nett. Am Ende der Reise kannten wir alle Mitreisenden und die Crew und hatten viele neue „Freunde“ gewonnen. Jahre später saß man im Flugzeug und starrte auf eine Monitor, wo ein Spielfilm gezeigt wurde, der Unterhaltungen verhinderte und die zugezogenen Fenstervorhänge das Hinausblicken. Aber immerhin konnte man sich beim Essen noch mit dem Nachbarn über den Film unterhalten. Nun hat jeder seinen Monitor, viele benutzen ihn ununterbrochen für Filme oder Computerspiele, und weil man Verschiedenes ansieht ist auch die Basis für ein Gespräch verschwunden. In der Businessklasse sitzt man so bequem und isoliert, dass man ohnehin mit niemandem reden kann.

Unzufriedenheit durch Medien#

Aber es geht nicht nur um zwischenmenschliche Beziehungen, es geht – wie oben angedeutet- auch um das Wecken von unerfüllbaren Wünschen, und damit um das Entstehen von Unzufriedenheit. Auch da mag eine persönliche Erfahrung erlaubt sein: Ich war in den frühen 60ziger Jahren in Nepal. Die meiste Leute lebten dort ohne Elektrizität, ohne Fließwasser, ohne Radio in einfachen Häusern und waren über Gemüsegärten, ein paar Hühner, Ziegen, Schafe, selbstgestrickte Pullover, usw. autark und zufrieden. Die Elektrifizierung des Landes und das Vordringen von Radio und Fernsehen zeigte den Menschen Dinge, von denen sie nichts gewusst hatten und die ihnen daher auch nicht abgegangen waren: Fließwasser, WC im Haus, elektrische Haushaltgeräte, Mopeds, usw. Natürlich wollte man das dann auch alles haben, und das war unmöglich, aber die Maoisten versprachen es, wenn sie an die Regierung gelangen würden. Sie wurden nach Jahren dann in die Regierung eingebunden, aber konnten natürlich ihre Versprechungen nicht halten. Heute ist aus dem einmal glücklichen Land ein Land von vielen Unzufriedenen geworden. „Wissen ist gefährlich“ schreibe ich in einem meiner Romane!

Abschnitt 6: Computer#

BTX - Ein Vorläufer des WWW#

Die rasche Entwicklung des Computers ist wohlbekannt. Meine persönlichen fast 60 Jahre langen Erfahrungen habe ich hier beschrieben. Direkt beteiligt war ich an der Entwicklung von „Interactive Videotex“, zu Deutsch Bildschirmtext (BTX), das Ende der 1970er Jahre als Vorläufer des Internes begann. Mit meinem Freund und Kollegen Reinhard Posch, den ich, als Gründer der Informatik in Graz, habilitierte und dann zum zweiten Professor für Informatik in Graz berufen durfte (und der mich als CIO der letzten Bundesregierung in dieser und anderer Hinsicht weit überflügelte) entwickelten wir ein programmierbares netzfähiges Gerät, den MUPID (was für Insider natürlich für Maurer Und Posch Intelligenter Decoder stand), der aus einem Netz von Servern nicht nur Informationen holen und Daten dort (heute würde man sagen „in der Cloud“) speichern konnte, sondern auch ausführbare Programme aus der Cloud laden konnte (heute würde man dafür Apps sagen). Mehr zu BTX und MUPID in und ausführlicher insbesondere hier. MUPID war in mancher Hinsicht seiner Zeit eigentlich voraus, verschwand aber wegen europäischer Grabenkämpfe um einen BTX Standard und das Aufkommen des IBM PCs und des Internets nach ca. 50.000 erzeugten Exemplaren wieder von der Bildfläche.

Während seiner Blütezeit gab es nur einen Konkurrenten, von Philips, der zwar nicht programmierbar war, der aber auf der Erfahrung mit textverarbeitenden Systemen eine besonders einfache Erstellung von Text und Tabellen orientierten BTX Seiten gestattete. Dieses Gerät wurde in Österreich von Johann Günther betreut. Der Konkurrenzkampf wurde von ihm und mir mit sehr harten Bandagen ausgetragen, so dass wir auch emotional zu echten, bitteren Feinden wurden. Es gehört zu den schönen Erlebnissen meines Lebens, dass durch je eine kleine Geste in die andere Richtung Jahre später aus der großen Feindschaft eine tiefe Freundschaft wurde.

Ich blieb auch nach der BTX Zeit bis heute mit Computernetzen beschäftigt. Ich stelle fest, dass alle Prognosen die bei ihrer ersten Formulierung wie Phantasien klangen noch übertroffen wurden. Vor 20 Jahren erklärte ich z.B. meinen Studenten, dass Telefone nicht nur klein und tragbar werden würden, sondern auch mächtige Computer, die man für alles brauchen würde. Wir sind heute fast so weit wie ich damals sagte: „Ohne dieses Gerät wird man sich nackter fühlen als ohne Unterhose“, aber damals hielt man mich noch für verrückt. Soviel Positives das Internet, die Computer, die Automatisation, die Digitalisierung gebracht haben, sehe ich auch seit Jahren die Gefahr von Fehlentwicklungen.

Gefahren des Internets#

Ich habe mehrmals über mögliche Gefahren des Internets vorgetragen und geschrieben, siehe auch die kritische Analyse, sodass ich hier nur auf einige Aspekte eingehen möchte.

Zu den wenig beachteten Problemen gehört es, dass durch immer neue Entwicklungen altes Wissen, alte Errungenschaften verloren gehen können, wie heute das meiste, das einmal auf Schmalfilm oder auf Tonbandgeräten aufgenommen wurde nicht (oder nur mit größten Schwierigkeiten) wieder verwendet werden kann. Für Informationen bietet das Ende von BTX ein gutes Beispiel: Da gab es durchaus Sehenswertes, das ganz oder fast verloren ging.

Aber es geht nicht nur um Informationen sondern um Wissen und um das Funktionieren von Systemen. Allen ist bekannt, dass die USA heute nicht in der Lage sind, Menschen auf dem Mond zu landen, obwohl sie 1969 dazu imstande waren. Notwendiges Wissen und Technologie müsste dazu erst wieder langwierig aufgebaut werden. Weniger ist es den Menschen und vielen meiner Professorenkollegen bewusst, dass an zig-tausenden Forschungseinrichtungen tolle Lernsysteme, oder Systeme für Virtuelle Realität etc. aufgebaut werden, die beeindrucken, die aber garantiert in 15 Jahren nicht mehr funktionieren werden, weil sich Hardware, Betriebssysteme, Schnittstellen, Software usw. völlig geändert haben werden. Das ist einer der Gründe warum ich anstelle von integrierten komplexen Lernumgebungen für Interaktive Bücher plädiere, die auch beliebig mächtig sind, aber wo man Veränderungen sehr viel leichter bewältigen kann.

Etwas ausführlicher und allgemeiner berichte ich über das Problem der Stabilität von Informationen: Es ist ja kein Zweifel, dass wir heute sehr viel leichter über das Internet und Suchmaschinen an Informationen herankommen als früher, nur ist die Verlässlichkeit (Stichwort fake news) durch die Informationsschwemme geringer geworden. „Social networks“ wie Facebook, Twitter und Konsorten sind da ja inzwischen sehr in Verruf geraten. Dass uns die Medien, allen voran solche social networks tief beeinflussen, wird vor allem in dem Roman „Zero“ von M. Elsberg erklärt, Buchbesprechung dazu. In seinem Buch: „Ten Arguments For Deleting Your Social Media Accounts Right Now” des Internet und Virtuelle Realität Pioniers J. Lanier ist dieser, wie der Titel andeutet, noch sehr viel radikaler.

Automatisierung und KI#

Zu den großen Chancen und Herausforderungen in der Informatik gehören Automatisierung und Künstliche Intelligenz (kurz KI) wobei Teile der KI natürlich für die Automatisierung essenziell sind.

Computer können heute Menschen in vielen Aspekten schon weit übertreffen (wie bei Denkspielen a la Schach oder Go), bei der Analyse großer Datenmengen, bei Mustererkennung, Steuerungsaufgaben, usw. Sie kommen bei Sprachübersetzung schon nahe an menschliche Fähigkeiten heran, und leisten Unglaubliches in der medizinischen Diagnose, in der Robotik, bei der Sprache-in-Text Umwandlung, und unzählbaren anderen Anwendungen. Ob man sie als intelligent bezeichnen kann oder sie das einmal werden können wird lebhaft diskutiert: Eine verlässliche Antwort darauf ist schon deshalb nicht möglich, weil es keine anerkannte Definition von Intelligenz gibt. Eines wage ich aber doch festzuhalten: Dass ein Computer einmal alle menschlichen Denk- und Gefühlswelten beherrscht ist solange nicht realistisch als wir nicht einmal „Bewusstsein“ verstehen oder definieren können, und genau so ein Bewusstsein wäre für vollständige Intelligenz notwendig. Dass also z.B. ein Computer einmal die Weltherrschaft übernimmt, ist nur Science Fiction. Dass aber eine Gruppe von Menschen mit sehr guten Computern die Menschheit einmal dominieren könnte ist weniger absurd. Das ist bei dem unglaublichen Potenzial der Beeinflussung der Menschen durch (computerunterstützte) Medien nicht undenkbar.

Unabhängig von der „philosophischen“ Diskussion ob Computer je intelligent sein können oder nicht wird die Automatisierung in allen Bereichen zunehmen und den Menschen immer mehr Arbeit abnehmen. Damit wird es unvermeidlich zu großer Arbeitslosigkeit kommen, wenn keine vernünftigen Vorkehrungen getroffen werden. Zu diesem Aspekt kehre ich im letzten Abschnitt zurück.

Einfache Bedienung ist essentiell#

Wenn Politiker von Digitalisierung sprechen, dann meinen sie damit oft die elektronische Abwicklung von administrativen Vorgängen, die früher Menschen benötigten, sei es im Bankwesen, bei Amtswegen, usw. Dagegen ist wenig einzuwenden wenn drei Punkte berücksichtigt werden:

Erstens, was immer der Benutzer am Computer tun muss (etwa ein Formular ausfüllen oder eine Frage beantworten) muss so einfach sein, dass es alle Benutzer problemlos verstehen. Um das zu erreichen ist es sinnvoll, dass Benutzer an jeder Stelle Fragen stellen oder Schwächen melden können. Dies wurde auch in z.B. in austria-forum.org konsequent durchgesetzt: Auf jeder Seite können Benutzer anonym Fragen stellen/ Änderungen vorschlagen, die nach kurzer Zeit das Benutzerverhalten so verbessern, dass keine Fragen mehr auftreten werden. Zweitens, das System darf nicht mehr als absolut notwendig in die Privatsphäre der Benutzer ohne deren Zustimmung eindringen. Viele Betreiber von WWW Servern verstoßen dagegen, weil sie Benutzer mehr oder minder zwingen, „Cookies“ zu akzeptieren.

Drittens, das System muss sicher sein. Dagegen wird andauernd verstoßen. Wie soll man sich beim Zahlen per Kreditkarte im Internet sicher fühlen, wenn dabei Kartennummer und Security Code bekannt gegeben werden müssen?

Sicherheit#

Aber Sicherheit bei Computern und im Internet ist ein so großes Problem an sich, dass ich darauf nicht eingehen kann. Es geht ja nicht nur um das Ausspähen von Daten, um unerlaubte Kontomanipulationen, um Erpressung durch Verschlüsselungsviren, usw., sondern es geht darum, dass Computer, Software und das Internet das Potenzial zur Kriegsführung haben, etwa das Potenzial den Gegner lahm zu legen (etwa das Stromnetz flächendeckend zu unterbrechen). Leider gibt es keinen Zweifel, dass viele Länder Spezialeinheiten haben, die gegebenenfalls einen vernichtenden Cyberkrieg führen können. Dass die Urananreicherung im Iran auf diese Weise um Jahre zurückgeworfen wurde ist nicht mehr als ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird, und von dem niemand vor 80 Jahren auch nur träumen konnte.

Abschnitt 7: Politik und soziale Entwicklungen#

Auch in diesem Abschnitt greife ich in erster Linie nur einige Beispiele heraus, die mein Leben gefärbt haben, die aber typisch für gewisse Entwicklungen sind.

Globale Spannungen#

Den Zusammenbruch einer der schlimmsten Diktaturen der Geschichte und das Ende des zweiten Weltkriegs erlebte ich in Traun bei Linz als 4-jähriger Bub. Gut erinnere ich mich nur an eine Begebenheit (oder wurde sie mir so oft erzählt, dass ich mir einbilde sie erlebt zu haben?).

Amerikanische Panzer fuhren durch die Bahnhofstraße (Hauptstraße) von Traun. Vom dritten Stock des großen Gebäudes der Essigfabrik, die der Familie meiner Mutter gehörte, blickten wir auf die Straße. Da nichts geschah, wurden die Menschen langsam neugierig, stellten sich vorsichtig vor die halb geöffneten Türen der Häuser. Plötzlich flogen die Deckel der Panzer auf, und die Soldaten begannen etwas hinauszuwerfen. „Granaten“, dachten alle, und huschten in die Häuser zurück. Aber nichts passierte. Allmählich wagten sich einige wieder heraus und schauten sich das Herausgeworfene an. Es waren keine Granaten, es waren Konservendosen und Schokolade, die den schlecht versorgten Österreichern wie Gaben aus dem Schlaraffenland vorkamen.

Die Amerikaner sind gute, großzügige Freunde, prägte sich bei mir ein, und das dominierte mein Denken viele Jahre: Die guten Amerikaner hier, die unangenehmen russischen Soldaten in Wien, die gerade die größere Fabrik meiner Mutter in Wien-Liesing plünderten. Meine Mutter sprach perfekt Englisch und wurde so automatisch die Dolmetscherin. Die Amerikaner boten meinem Vater an, aus der Flugzeugreparaturwerkstätte am Flughafen Hörsching alles abzuholen, was für die Fabrik (immerhin galt Essig als Lebensmittel) sinnvoll sein konnte. So wurden dann in der Maschinenhalle der Fabrik wertvolle Drehbänke und Metallbearbeitungsmaschinen aufgestellt, die beim Erproben des späteren Weltpatents der Submersen Gärung (die heute weltweit verwendet wird) eine wichtige Rolle spielten.

Mein Hass auf die Russen wurde durch die Niederschlagung des Aufstands in Ungarn 1956 noch verstärkt: Den erlebte ich bereits von Wien aus, wo wir sogar Funkkontakt mit einigen der studentischen Widerstandskämpfer hatten.

Wer erinnert sich noch an diese Zeit: Als die Studentenproteste vom 23. Oktober 1956 zum ungarischen Volksaufstand anwuchsen, setzte das kommunistische Zentralkomitee Imre Nagy als Ministerpräsidenten ein. Am 28. Oktober erkannte Nagy offiziell die Revolution an. Auch Armee und Polizei stellten sich nun auf die Seite der Revolution. Die in Ungarn stationierten sowjetischen Truppen waren machtlos, und Imre Nagy verhandelte mit Moskau, um für Ungarn eine Art Sonderstatus zu erreichen. Auch Nagys Gegenspieler János Kádár verhandelte mit den sowjetischen Machthabern und erklärte die Regierung Nagy für illegal. Nachdem Imre Nagy am 1. November 1956 die Neutralität proklamiert und die Mitgliedschaft seines Landes im Warschauer Pakt aufgekündigt hatte, rückten sowjetische Panzerverbände in Ungarn ein und schlugen die Revolution blutig nieder. Die erhoffte Hilfe aus dem Westen, die Radio Free Europe angekündigt hatte, blieb aus. (Manche sagen wegen der damaligen Suezkrise!)

Nagy ließ einige Fluchtwege nach Österreich offenhalten, auf denen bis zum 21. November 1956 etwa 210.000 Ungarn fliehen konnten. Er selbst floh in die jugoslawische Botschaft. Als ihm der neue Regierungschef János Kádár Straffreiheit zusicherte, verließ Imre Nagy am 22. November 1956 die Botschaft, wurde jedoch mit seinen Begleitern verhaftet, später wegen Landesverrates verurteilt und im Gefängnis von Budapest durch Hängen hingerichtet.

Damals nahm ich mir vor: „Wenn ich je die Chance habe, Kadar umzubringen werde ich es tun, egal was mit mir passiert.“ Nach meinem Studium verbrachte ich schöne 7 Jahre als Professor in Westkanada, später ein Semester in Ostkanada, und noch später 3 Jahre in Colorado. Da wurde mir erstmals das soziale Gefälle in den USA sehr bewusst. Auch dazu eine Anekdote. Ich wohnte im größten Hotel in Denver, das mit Stacheldraht und Privatpolizei gegen unerwünschte Besucher abgesichert war, und umgekehrt gab es Teile der Stadt, die man besser nicht besuchte: Beides für mich aus Calgary unbekannte Phänomene. Als ich das einem Kollegen an der Denver University erzählte, meinte er: „Besorge Dir eine Visitenkarte mit Goldrand, dann gehe in eines der Immobilienbüros die ich Dir hier aufgeschrieben habe, zieh' Dich gut an und sage Du willst ein Haus kaufen, und tu so als würde Geld keine Rolle spielen. Dann wirst Du eine Überraschung erleben.“

So tat ich es. „Ich bin gerade nach Denver übersiedelt, und möchte ein Haus kaufen“, sagte ich also im Immobilienbüro. „Was darf es kosten?“ Ich zuckte die Schultern: „Das ist nicht so wichtig, passen muss es. Aber ich habe oft Gäste, brauche also doch einige Gästezimmer mit Nasszelle und einen netten Garten.“ Darauf folgte sofort eine Bewirtung mit Sekt, Kaviarbrötchen etc. und dann wurde mir das erste Haus gezeigt, natürlich in einer „gated community“. Es hatte 7 Badezimmer. Beim ersten mit einer großen Badewanne mit goldenen Armaturen (übrigens von Köhler, einer Firma deren Gründer aus Vorarlberg vor 3 Generationen einwanderten) habe ich mich fast verraten. Denn es waren 5 Hähne. Wieso fünf, dachte ich, bis ich mich an ein altes Hotel in Atlantik City im Osten der USA erinnerte: Zwei Hähne für Kalt- und Warmwasser, zwei für kaltes und warmes Meerwasser (am Strand von Atlantik City ok, aber in Denver, wo das Salzwasser tausende Kilometer über die Rocky Mountains mit Tankwagen gebracht werden musste eine Absurdität). Und der 5. Hahn? „Na, wenn sie dann mit ihrer Freundin im der Wanne sitzen mit einem Glas Whiskey in der Hand brauchen sie doch sicher Eiswasser.“

Es war das erste und nicht das letzte Mal, dass ich begann die USA als zu kapitalistisch zu sehen, und es war damit mein Denken in den Kategorien „gutes Amerika“ und „böses Russland“ etwas angekratzt. Aber die Niederschlagung der Revolution in der damaligen Tschechoslowakei 1968 passte dann doch wieder in meine typisch westliche Stimmung der zwei Lager Osten - Westen.

Als ich gegen Anfang 1985 bei einer Tagung in Budapest mit János Kádár am selben Tisch saß (da hatten die Ungarn schon einige hundert ungarische MUPID gekauft) existierte mein Vorsatz, János Kádár umzubringen nicht mehr. Und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war ich oft in St. Petersburg, in Moskau, reiste mit der sibirischen Eisenbahn, und schloss viele gute Freundschaften in Russland. Mein Lagerdenken änderte sich, das Ende des kalten Krieges färbte auf mich ab. Die Idee, Nordamerika, Europa und Russland könnten miteinander auskommen war verlockend. Kulturell schien mir Russland immer näher als die USA. Inzwischen hat sich die Weltpolitik wieder geändert. Die USA hat einen Präsidenten, den man nicht für möglich hält; Russland ist wieder in ein stark militärisches Imperiums-Denken zurückgefallen. Der Versuch, Europa, die EU, und Russland näher zusammen zu bringen ist durch die Annexion von Teilen Georgiens und der Ukraine durch Russland behindert, und die USA tun alles, um einen Keil zwischen EU und Russland zu treiben. Inzwischen verstehe ich den Absatz in Kissingers Autobiographie, wo er schreibt, wenn sich Russland und Europa zusammentun hat die USA nichts mehr zu reden. So kann man die Verschwörungstheorien, dass die ukrainische Situation durch Aufwiegelung durch amerikanische Geheimagenten verschärft wurde nicht mehr ohne weiteres ablehnen.

Internationale Erfahrungen#

Meine Erfahrungen durch Gastprofessuren in Brasilien, Australien, Neuseeland und Aufenthalte in Ländern wie Indien, Pakistan und Afrika und auf ganz isolierten Inseln im Südpazifik (wie seinerzeit Vanuatu, wo man nur drei der über 100 Inseln betreten durfte, für eine vierte hatte ich 10 Jahre auf die Erlaubnis des Stammesältesten zu warten) haben mein Weltbild sehr verschoben.

Der Besuch auf dieser einen Insel in Vanuatu beeindruckte mich sehr. Hier war eine zufrieden lebenden Gesellschaft die weder Geld, noch Erwerbsarbeit, noch Häuser (Bananenblätter über Zweige gelegt genügen, wenn es nie kälter als 23° ist), noch Landwirtschaft (die Meeresbucht bietet immer Fische und Muscheltiere, der Dschungel immer essbare Pflanzen), noch irgendien Kleidung kannte: ja, ich habe dort auch Frauen mit einem Slip gesehen --- aber nur als Haarschmuck. Und diesen Menschen war nie langweilig: die Mär, dass man Erwerbsarbeit braucht um glücklich zu sein wurde dort für mich sichtbar widerlegt.

Übrigens, in Vanuatu war vor 30 Jahren Fernsehen nicht existent (und verboten), Radio durfte nur Lokales bringen. Die damalige Regierung versuchte, das „Krebsgeschwür westlicher Zivilisation draußen zu halten“. Die Regierung wurde irgendwann gestürzt, die Regeln geändert. Heute gibt es auf einigen Inseln Nobelhotels, was sich natürlich dramatisch auf die lokale Kultur ausgewirkt und diese mehr oder minder zerstört hat.

Ich war zehn Jahre lang Berater der größten Universität auf Borneo, Malaysien, in der Hauptstadt von Borneo, Kuching, und wir wollten ein ehrgeiziges Projekt durchführen: den Dschungelbewohnern, die verstreut im Dschungel in Langhäusern als Großfamilien wohnten etwas medizinische Versorgung bieten.

Wir fanden einen Stammesältesten, der das Experiment gestattete. Wir fuhren mit zwei Krankenbetreuern (eine Frau, ein Mann), Apothekenausrüstung, einem PC und Solarpanels und mit anderer Ausrüstung zwei Tage einen kleinen Fluss aufwärts und hatten dann noch einige Stunden Dschungelwanderung vor uns, um die gesamte Ausrüstung in das Zentrum des vorhergesehenen Gebietes zu bringen: Meine Aufgabe sollte es sein, über den Computer eine Satellitenverbindung mit dem Spital in Kuching aufzubauen, um notfalls mit diesem kommunizieren zu können, oder im Extremfall einen Militärhubschrauber anzufordern, um jemanden zu einer Operation auszufliegen.

So war ich also mehrmals im tiefsten Dschungel Borneos um dort zu helfen, aber mit dem Bestreben, die vorhandene durchaus zufriedene Kultur nicht zu verändern. Der Betrieb des Computers schien daran zu scheitern, dass die Solarzellen reihenweise (durch Regen und Temperaturunterschiede) ausfielen. Als Lösung bauten wir ein Wasserrad, das einen kleinen Generator betrieb. Unser Vorhaben in, wie wir den Platz nannten, E-Bario, (E für Elektrizität, nicht Elektronik) war medizinisch erfolgreich. Aber die Veränderung der Kultur blieb nicht aus: Viele Familien verlegten ihren Wohnsitz in die Nähe der Apotheke, die Krankenschwester kam auf die Idee, auch als Lehrerin aktiv zu werden. Aus dem Nichts im Dschungel entstand der Ort Bario. Als ich den Ort vor einigen Jahren das erste Mal mit meiner Frau besuchte, gab es bereits einen Graslandestreifen für unser kleines Flugzeug. Auch vom Bau einer Straße in die Außenwelt (nach Miri an der Straße die die Nordküste Borneos inzwischen entlang geht) war die Rede, sogar vom Aufbau der Infrastruktur für Handys. Obowhl Bario noch immer isoliert ist ist es heute notfalls schon mit Geländeautos erreichbar. Die alte Dschungelkultur wurde schon mehr oder minder Vorzeigekultur für einige abenteuerlustige Touristen.

Gerechte Verteilung von Reichtum und Arbeit#

Neben der am Anfang schon angesprochenen großen Problematik der Bevölkerungsexplosion sehe ich weltweit vor allem die Problematik der völlig ungerechten Verteilung von Reichtum. Ich sehe mit Sorge, wie die Anzahl der ganz Reichen und der ganz Armen prozentuell immer größer wird, die „Mittelschichte“ immer kleiner. Dies gilt für alle Länder, auch für Österreich. Es gibt Länder, bei denen die Übernachtung in einem Top-Hotel so viel kostet, wie ein dort lebender gut ausgebildeter Mensch in einem Monat verdient. Ich war in solchen Hotels, wo Einheimische bewusst keinen Einlass bekommen, damit sie nicht sehen, in welchem Luxus man leben kann.

Der World Inequality Report 2018 (Buchbesprechung) zeigt, dass die Ungleichheit weiter überall zunimmt. Das kann nur zu Unruhe und letztendlich zu Revolutionen führen. Es gibt zurzeit über 18 Millionen Millionäre (d.s. Personen mit einem Vermögen über eine Million), das sind 0,25 % der Weltbevölkerung!

Verstärkt wird die Situation durch die im vorherigen Abschnitt angesprochen Automation dann, wenn nicht eine Umverteilung von sowohl Reichtum wie auch Arbeit mit einer sinnvollen Beschäftigung erfolgt.

Politiker wollen uns oft einreden, dass die Aufgaben, die durch Automation verloren gehen, durch neue ersetzt werden. Das ist Sand in die Augen streuen: Tatsächlich wird die Arbeit schlichtweg weniger. Alle Zahlen sprechen dafür: Mein Großvater arbeitete 3.200 Stunden im Jahr (seine Frau auch), heute arbeitet der durchschnittliche Österreicher nur mehr 1.600 Stunden jährlich. Die Zahl wird weiter zurückgehen. Eine immer kleinere Anzahl von Menschen wird genügen, um alle Menschen mit dem Notwendigen zu versorgen. Die Antwort ist nicht ein erwerbsunabhängiges Grundeinkommen, denn arbeitslos sein ist auch ein Stigma. Die Lösung ist eine Umverteilung der Arbeit. Noch in diesem Jahrhundert wird es sinnvoll sein, die Wochenerwerbsarbeitszeit auf z.B. 24 Stunden pro Woche zu reduzieren und 2 Monate Urlaub einzuplanen, ohne aber Gehälter zu kürzen.

Arbeitslosigkeit durch Automatisierung#

Das ist die Chance, die uns die Automatisierung gibt, aber auch die Herausforderung, ohne deren Bewältigung wir auf eine gesellschaftliche Katastrophe mit hoher Arbeitslosigkeit und nicht akzeptabler Ungleichheit hinsteuern. Ein Teil der Bewältigung besteht auch darin, dass wir Menschen in mindestens vier Bereichen benötigen, die aber als gleich wichtig gesehen werden müssen: (1) Solche, die Wissenschaft und Kunst weiter entwickeln („Intellektuelle“). (2) Solche die gute Menschenbetreuer sind, die ausbilden (lehren), die Kinder, Kranke, Einsame und alte Menschen unterstützen (die menschliche Kommunikation lieben und beherrschen). (3) Solche, die mit den Händen geschickt und fantasievoll sind (Handwerker, Biobauern u.Ä.). Und (4) Organisatoren, die es verstehen, Menschen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle einzusetzen, die verstehen, zu vermitteln und große Ziele zu verfolgen (Manager und Politiker). Nur dürfen Menschen in keiner dieser Gruppen ein größeres Ansehen haben (mehr verdienen) als die in einer anderen Gruppe.

Dabei muss ich noch drei Punkte besonders betonen:

Erstens, es ist Unfug zu fordern, dass die Wirtschaft jedes Jahr um 2% oder mehr wächst um die Arbeitslosigkeit im Griff zu halten: 2% auf Dauer sind unmöglich, und führen mit Sicherheit zu einem Kollaps, wie jeder, der sich je mit Zinseszinsrechnung beschäftigt hat, bestätigen wird.

Zweitens, und das klingt fast wie ein Widerspruch zu früheren Behauptungen, die Zufriedenheit von Menschen hängt nicht davon ab, wie hoch ihr Lebensstandard ist. Auch sehr einfach lebende Menschen können total zufrieden sein (wie ich am Beispiel von Nepal, Vanuatu, Bario und anderen Stellen erleben konnte). Man kann die Behauptung sogar durch einen Umkehrschluss belegen: Angenommen Menschen wären unglücklicher, wenn ihr Lebensstandard niedriger wäre. Nun, dann würde es keine Menschen geben, denn dann hätten die Steinzeitmenschen alle Selbstmord begangen.

Aber, und das ist das Entscheidende, das Wissen, dass es dem Nachbarn sehr viel besser geht, ja dass er sogar nicht an einer Krankheit sterben muss an der wir sterben würden, weil wir uns die Heilung nicht leisten können, dieses Wissen um die Ungleichheit ist was Menschen unzufrieden, um nicht zu sagen reif für eine Revolution macht. Darum ist ein gewisser Gleichklang im Lebensstandard wichtiger, als die faktische Höhe des Lebensstandards, darum ist eine Portion Sozialismus auch in einer kapitalistischen Gesellschaft notwendig, darum ist z.B. für mich Kanada sehr viel mehr akzeptabel als die USA. Ich zitiere dafür aus Steingarts Morning Briefing vom 24. 5. 2019: Noch in diesem Monat wird Pharmakonzern Novartis in den USA das teuerste Medikament aller Zeiten auf den Markt bringen. Die Gentherapie Zolgensma soll mittels einer einzigen Spritze zum Preis zwischen 1,6 und fünf Millionen US-Dollar die Folgen des genetisch bedingten Muskelschwunds SMA lindern.

Bei dieser Krankheit sind fast alle Muskeln des Körpers stark geschwächt, und die Zellen würden ohne Behandlung absterben. Jedes Jahr erkranken in den USA rund 400 Kinder an der Krankheit. Novartis ist sich schon vor der Zulassung im Klaren, dass das neue Präparat für die Superreichen einen Proteststurm auslösen wird. Dieser Fortschritt der Pharmaindustrie ist beeindruckend und beängstigend zugleich. Er heilt und er spaltet.

Schlussbemerkung#

Dieser Beitrag wurde mit Unterbrechungen in etwas mehr als einer Woche geschrieben. Wenn ich die Zahlen gerade jetzt genau ansehe, dann ist in dieser Zeit die Weltbevölkerung um wieder 1,359.811 Menschen gewachsen… und seit Anfang 2019 um mehr als 32 Millionen.

[1] In Fukushima ertranken über 18.000 Menschen. Durch Radioaktivität sind keine Todesfälle nachgewiesen. Nur Tschernobyl 1986 hat durch Radioaktivität Menschenleben gekostet. Die Schätzungen schwanken sehr stark. Aber: Das Tschernobyl-Forum – angeführt von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) - geht darin davon aus, dass es „weniger als 50 Tote“ gibt, die direkt in Verbindung mit dem Unfall stehen. Schätzungsweise 4000 Menschen würden infolge der Katastrophe an Krebs sterben.

[2] In: Gabriel, S., Radermacher, F. J., Rüttgers, J.: Europa fit machen für die Zukunft, Senat der Wirtschaft - Verlag, 2019