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Die Deponie ist die neue Goldmine #

Altes sammeln und für Neues verwerten: Alle Abfälle, Altdeponien, sogar Städte werden heute als Rohstoffquelle genützt. „Urban Mining“ und „Landfill Mining“ sollen zukunftsweisende Wirtschaftszweige werden. #


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (Samstag, 15. Oktober 2016)

Von

Hannes Gaisch-Faustmann und Manfred Neuper


Müll, Fotonachweis:KK, REDUX, BDI, APPLE, AFP, FOTOLIA
Müll
Fotonachweis:KK, REDUX, BDI, APPLE, AFP, FOTOLIA

Ist der Abfall von heute womöglich die wichtigste Rohstoffquelle von morgen?

Plötzlich geraten sogar Altdeponien in den Mittelpunkt des Interesses. Der Fachbegriff dafür ist „Landfill Mining“, dabei geht es darum, aus den Deponien Wertstoffe zu generieren und diese dann wieder zu nutzen. Aber nicht nur in Deponien schlummern Stoffe, die in den Produktkreislauf rückgeführt werden können. Was bei diversen Metallen und seit den 1990er- Jahren bei Glas und Papier Standard in Österreich ist, die Sammlung und Wiederverwertung, lässt sich auf viele weitere Bereiche ausdehnen.

2015 wurden in Österreich 79.000 Tonnen Elektroaltgeräte und knapp 2300 Tonnen Altbatterien gesammelt, das sind Steigerungsraten von drei bzw. zehn Prozent. Die Bestandteile von Altgeräten lassen sich zu 95 Prozent verwerten und als Rohstoff für neue Produkte einsetzen. Immer noch aber entgeht den Wiederverwertern viel. 2014 startete die EAK (Elektroaltgeräte Koordinierungsstelle) eine Kampagne gegen den illegalen Abfallexport, durch den immerhin 15.000 Tonnen Altgeräte im Ausland versickern. Aus den Akkus von Altge- räten lassen sich beispielsweise Lithium und Kobalt gewinnen, in der Kamera stecken Gold und Kupfer, in der Hauptplatine Silber und Platin.

iPhone-Mining #

„Urban Mining“ meint jedoch mehr, nämlich die Erschließung sämtlicher Abfälle bzw. nicht mehr genutzter Gegenstände oder Gebäude; die Stadt dient als Rohstoffmine, nicht nur die Natur. Auch wenn der Trend aus heutiger Sicht neu erscheint: Es gibt historische Beispiele. So wurden Teile des im 16. Jahrhundert errichteten Schlosses Neugebäude in Wien bereits im 17. Jahrhundert in anderen Prunkgebäuden wiederverwertet. Die Geschichte wiederholt sich, freilich in anderem Gewand.

Gegenwärtig hat das Recycling in zahlreichen Branchen Einzug gehalten. Sogar der Technologieriese Apple hat – breitenwirksam – im Rahmen einer iPhone-Präsentation im März einen Roboter namens „Liam“ vorgestellt. Die Ingenieure von Apple sollen rund drei Jahre daran getüftelt haben. In elf Sekunden zerlegt „Liam“ ein altes iPhone, er baut die verschiedenen Komponenten – von der Batterie über die Kamera bis hin zu Schrauben – nicht nur auseinander, sondern sortiert sie auch und schafft so die Grundlage für Recycling. Mithilfe zahlreicher Sensoren und insgesamt 29 Roboterarmen, die jeweils über unterschiedliche Werkzeuge verfügen, soll es effizient und voll automatisiert möglich sein, innerhalb kürzester Zeit wertvolle Ressourcen zurückzugewinnen.

In Österreich ist mit Binder+Co aus Gleisdorf im Segment der Hightech-Sortierung zur Rückgewinnung von Wertstoffen sogar ein Weltmarktführer beheimatet. Sensorgesteuerte Anlagen ermöglichen es, Materialien sortenrein – also befreit von Störstoffen – aufzubereiten. So können u. a. aus Bauschutt, Elektroschrott, Glas, Kunststoff und Metall hochqualitative Wertstoffe zurückgewonnen werden. Auch Redwave, eine Division von BT-Wolfgang Binder, feiert mit seinen optischen Sortieranlagen zur Wiedergewinnung von Wertstoffen Erfolge auf dem Weltmarkt.

Die Verwertung passiert nicht nur mit der Absicht, natürliche Quellen zu schonen, sondern soll vor allem die westliche Welt weniger abhängig von den internationalen Rohstoffmärkten machen. Allerdings sind auch dem Urban Mining ökonomische Grenzen gesetzt: Die TU Wien versucht seit heuer, in einem mehrjährigen Forschungsprojekt Richtlinien zu erstellen, anhand derer man beurteilen kann, ob es ökologisch und ökonomisch sinnvoller sei, Primärrohstoffe abzubauen oder Sekundärrohstoffe aus Abfällen zu gewinnen.

Altbatterien
Altbatterien
BDI BioEnergy
BDI BioEnergy
Kaffee
Kaffee

Sammler und Verwerter #

Weltmarktführer in der Aufbereitung von Altbatterien ist Redux mit Standorten in Offenbach am Main und Bremerhaven. Redux ist seit heuer eine 100-prozentige Tochter des steirischen Entsorgungspezialisten Saubermacher und kann aus bis zu 25.000 Tonnen Gerätebatterien pro Jahr Rohstoffe wie Nickel, Eisen, Zink, Mangan, Kupfer, Aluminium und Kunststoffe zurückgewinnen. Stark wachsen wird in den nächsten Jahren auch die Verwertung von Lithium- Ionen-Batterien, die in Handys, Laptops, E-Bikes und E-Autos verbaut sind.

Energie aus Hühnermist #

„From waste to value“ – so lautet der Leitspruch des Grambacher Bioenergiespezialisten BDI BioEnergy. Bei den Technologien geht es also darum, aus Abfall wieder Wertstoffe zu generieren, konkret Energie. Referenzbeispiele gibt es viele. Ein vielfach prämiertes Projekt: In der Brauerei Göss wird aus Biertrebern, einem Reststoff aus dem Brauprozess, Energie erzeugt. In Polen werden mit BDI-Knowhow Abfallstoffe, etwa Hühnermist, aus der Geflügelzucht verwertet. Damit werden angrenzender Schlachtbetrieb sowie benachbarte Industrie mit erneuerbarer Energie versorgt.

Kaffee aus Kaffee trinken #

Wer sagt, dass man Kaffee nur trinken kann? Man kann auch aus ihm trinken. Zumindest in den Tassen des Berliner Labels „Kaffeeform“ von Julian Lechner. Er trocknet den Kaffeesatz aus Kaffeemaschinen und verpresst ihn zusammen mit Buchenholzmehl und Biopolymeren zu einem Werkstoff, aus dem neue Kaffeetassen geformt werden. Mit dem Pulver von sechs Espressi lässt sich beispielsweise eine Tasse formen. Das Geschirr ist nur halb so schwer wie Porzellan, aber dennoch relativ bruchsicher und spülmaschinenfest.

Fotonachweis: KK, REDUX, BDI, APPLE, AFP, FOTOLIA

Kleine Zeitung, Samstag, 15. Oktober 2016

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