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32 | Cultural Governance in Österreich
Cultural Governance bezieht sich vor allem auf das „Wie“ der Steuerung, die
Strukturen und Prozesse von Kulturpolitik (Scheytt, 2008; Scheytt, Knoblich,
2009). Dabei sind es die Inhalte, Ziele und Werte von Kulturpolitik, das „Wofür“
und „Wozu“, die eine Form der Steuerung verlangen, die über ökonomische
Zielsetzungen hinausweist. Francois Matarasso und Charles Landry (Matarasso,
Landry, 1999: S. 7) bezeichnen die Entwicklung und Umsetzung von Kulturpoli-
tik als einen der komplexesten Bereiche der Regierung. Der kulturpolitische Ba-
lanceakt muss nicht nur zwischen unterschiedlichen Zielvorstellungen ausglei-
chen, sondern auch zwischen unterschiedlichen, ideologisch geprägten Visionen
zur gesellschaftlichen Rolle von Kultur.
Die Kulturbetriebslehre als Interdisziplin zwischen Kultur-, Sozial-, und
Wirtschaftswissenschaften betont die Besonderheiten des kulturellen Sektors, die
sich allein mit ökonomischen Theorien und Steuerungsmodellen nicht fassen las-
sen. Dazu gehört der symbolische Gehalt von Kultur zur Repräsentation von
staatlicher Identität und sozialen und individuellen Identitäten, zur Formung und
Reproduktion sozialer Distinktion und zur Artikulation von gesellschaftlicher
Kritik (Hasitschka u.a., 2005; Zembylas, 2004).
Kultur ist mit Bedeutungen verbunden, die wesentlich umstritten („essentially
contested“, (Gallie, 1956)) sind. Die grundsätzliche Frage aus kultur- und demo-
kratiepolitischer Sicht ist daher, inwiefern diese Bedeutungen verhandelbar sind
und wie sie verhandelt werden. Insbesondere die Frage, inwiefern Kunst und ihre
Produktion als zentraler Referenzrahmen für Kulturpolitik verhandelbar ist, ist
umstritten (Mayerhofer, Mokre, 2011; Mokre, 2005; Schaller, 2005; Wimmer,
2011: S. 144-149; Zembylas, 2004: S. 205-219). Der gesetzlich begründeten
Freiheit von Kunst stehen normative Ansprüche zu ihrem sozialen Gebrauch und
ihrer sozialen Funktion (etwa im Rahmen von kultureller Bildung beziehungs-
weise sozialer Integration sowie zu therapeutischen Zwecken) gegenüber. Hinzu
kommen pragmatische beziehungsweise ökonomische Interessen derjenigen, die
an der Produktion von Kunst beteiligt sind. Kunstwerke bzw. Kulturgüter kön-
nen von Privatpersonen erworben und etwa in einem Kunsttresor im Freeport
Luxemburg vor der Öffentlichkeit verborgen werden. Auch diese Möglichkeit ist
jedoch Ergebnis von historischen politischen Entwicklungen, Konflikten und
Verhandlungen, die zur Ausbildung eines freien Kunstmarkts geführt haben. Die
Möglichkeit, sich auf die Freiheit der Kunst zu berufen, ist somit eine demokra-
tische und marktwirtschaftliche Errungenschaft, die bei konkreten Anlässen her-
ausgefordert wird und neu verhandelt werden muss. Die Freiheit der Kunst geht
somit einher mit einer relativen Autonomie.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293