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Theoretische Situierung | 53
der griechischen Agora –, in der gestritten werden kann. Um diese Arena zu be-
treten, braucht es auch Mut, die Privatsphäre zu verlassen und sich „in die öf-
fentliche, uns allen gemeinsame Welt, die der eigentliche politische Raum ist“
(Arendt, 2003: S. 45), zu begeben.
Wenn das Prinzip der Kontingenz besagt, dass Kategorien – regulative, nor-
mative, kulturell-kognitive Ordnungen – auch anders definiert sein könnten, und
das demokratische Prinzip besagt, dass unterschiedliche Interessen, Werte und
Perspektiven sein dürfen, sind Konflikte und Aushandlungsprozesse unaus-
weichlich und notwendig. Oliver Marchart betont, dass sich dabei auch „kon-
sensuale Vergesellschaftungsformen“ beobachten lassen, die „aus sozialen Aus-
einandersetzungen hervorgehen“ (Marchart, 2013: S. 447). Wie Chantal Mouffe
ist auch Oliver Marchart kritisch, was eine „höhere Kommunikationsrationalität“
des Prozesses der Konsensfindung anbelangt, da die Aufmerksamkeit für not-
wendige Auseinandersetzungen aus dem Blick gerät:
„Eine Gesellschaftstheorie, die den Blick auf die grundsätzliche Kontingenz und Konflik-
tualität des Sozialen lenkt, schließt politische Handlungsmöglichkeiten daher nicht im
Zeichen einer homogenen Volksgemeinschaft aus, sondern eröffnet sie. Oder genauer: Sie
lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die ontologisch gesicherte Möglichkeit politischen Ver-
änderungshandelns.“ (Marchart, 2013: S. 449)
Eine differenzierte Perspektive schützt auch davor, einzelne Standpunkte, etwa
jene der Zivilgesellschaft, idealistisch zu überhöhen. Menschen können sich zu
unterschiedlichen Zwecken zusammenschließen, Bewegungen können sich radi-
kalisieren. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind, wie der Verwaltungswis-
senschaftler Norbert Wimmer beschreibt, weder vor organisationsinterner bad
governance noch vor eigennützigem Handeln gefeit:
„Sie leiden selbst an einem Mangel von effektiver Kontrolle, was teilweise wieder zu fi-
nanziellen Unklarheiten führt. Zu den weiteren Vorwürfen zählt, dass die Civil Society-
Aktivisten eher ihre eigenen Positionen und nicht die der Bevölkerung vertreten.“ (Wim-
mer, 2013: S. 82-83)
3.1.3 Deliberative Demokratietheorie
In Österreich prägten Korporatismus, Proporz und Konkordanz bis in die 1990er
Jahre die politische Kultur der Entscheidungsfindung. Das Modell des informel-
len Aushandelns (bargaining) im sozialpartnerschaftlichen Zweiparteienstaat Ös-
terreich wurde spätestens seit Mitte der 1980er Jahre sowohl von rechts (der
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293