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FPÖ unter Jörg Haider) als auch von links (von VertreterInnen der KPÖ und der
Grünen) als intransparent kritisiert (Tálos, Karlhofer, 2000; Talós, Stromberger,
2004). Dennoch ist es Teil der Realpolitik, dass wesentliche Phasen der Ent-
scheidungsvorbereitung vor der offiziellen Diskussion und Abstimmung in den
Ausschüssen und Gremien stattfinden und dass neben der Einflussnahme der
ParteienvertreterInnen auch leitende BeamtInnen sowie InteressensvetreterInnen
eine wesentliche Rolle dabei spielen. Giovanni Sartori zufolge ist das Aus-
schusssystem
„der verbreitetste, wichtigste und zugleich mißverstandenste Teil des Stoffes, aus dem
wirkliche Politik gemacht ist. Alle Entscheidungen irgendeines Gemeinwesens werden
vorher von einem oder mehreren Ausschüssen geprüft, diskutiert und vorformuliert.“ (Sar-
tori, 2006: S. 228-229)
Damit verweist er auch auf die von Habermas vernachlässigte Frage, wo die In-
halte der politischen Debatten eigentlich herkommen bzw. wo welche Voraus-
wahl getroffen wird. Sartori beschreibt zwei grundsätzliche politische Arbeits-
bzw. Entscheidungsprinzipien: zum einen jenes des „do ut des“ („ich gebe, damit
du gibst“), des Tauschgeschäfts, zum anderen das der „zeitverschobenen gegen-
seitigen Kompensation“, d.h. dass implizite Erwartungen an die zukünftigen
Handlungen des politischen Gegners bzw. Gegenübers das Entscheidungsverhal-
ten beeinflussen (Sartori, 2006: S. 229).
Verhandlungen, die hinter verschlossenen Türen stattfinden, sind also öko-
nomisch gefasst Teil des politischen Wettbewerbs bzw. kulturell-kognitiv gefasst
Routinen des politischen Arbeitens. Das normative Prinzip der Deliberation
nimmt die Kritik am politischen bargaining als geheimes Tauschgeschäft auf und
betont die Notwendigkeit, Verhandlungen zu öffnen und damit BürgerInnen die
Möglichkeit zu geben, an der Beratung teilzunehmen. Zum Prinzip der Verhand-
lung tritt das Ziel der Verständigung durch argumentativen Austausch. Demo-
kratie setzt damit sowohl von Regierenden als auch von BürgerInnen die Bereit-
schaft zur Verständigung und Verhandlung voraus. Warum bestimmte Individu-
en oder Gruppen nicht am demokratischen Prozess teilnehmen, nicht mitreden
können oder wollen, bewusst schweigen oder zum Schweigen gebracht wurden
(als epistemische Gewalt (Spivak, 2003)), gilt es, der Normativität der Verstän-
digung gegenüber empirisch zu erforschen. Ein Fokus auf die Qualität der Ver-
fahren wie in Habermas’ prozeduraler Demokratietheorie dargelegt und vom
Prinzip des Rechtsstaats garantiert bildet eine zentrale Legitimationsbasis für
Entscheidungen, sichert aber nicht die Qualität der Ergebnisse. Die Möglichkei-
ten der Verhandlungen sind von gesetzlichen Rahmenbedingungen – den Prinzi-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293