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100 | Cultural Governance in Österreich
als Statuserhalt einer privilegierten Schicht interpretiert werden. Eine konserva-
tive Auslegung kann sich hingegen auf eine notwendige Stabilisierung eines de-
mokratischen Staats und gesellschaftlichen Gefüges durch gesellschaftliche Eli-
ten beziehen.
Diese Kopplung gesellschaftlicher Faktoren mit kultureller und politischer
Partizipation trifft in Österreich auf eine rechtliche Situation und politische Kul-
tur, die Beteiligung laut Florian Walter und Martina Handler eher verhindert als
unterstützt:
„Die österreichische Beteiligungskultur hat eine starke repräsentativ-demokratische Prä-
gung. Das Partizipationsrepertoire der Österreicher/innen ist deutlich stärker auf Wahlen
und parteienzentrierte Aktivitäten ausgerichtet als auf informelle, kooperative Beteili-
gungsformen. Direkt-demokratische Instrumente haben im Vergleich zu Wahlen einge-
schränkte Bedeutung und werden nicht nur von der Zivilgesellschaft, sondern häufig zur
parteipolitischen Mobilisierung genutzt. Die starke bürokratische und staatsinterventionis-
tische Tradition Österreichs prägt nach wie vor das Verhältnis des politisch-administra-
tiven Systems zur Zivilgesellschaft, auch wenn dieses Verhältnis im Wandel begriffen und
das Selbstverständnis der Verwaltung, der Politik wie auch der Zivilgesellschaft in Bewe-
gung geraten ist. Der zögerliche Ausbau von Governance-Strukturen, um Bürger/innen
mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen einer kooperativen Politikgestaltung einzu-
räumen, und die noch gering ausgeprägte Bereitschaft der Politik, zivilgesellschaftliche
Beteiligung zu institutionalisieren, zeugen von teilweise großen Vorbehalten gegenüber
den Forderungen nach weitergehenden Mitspracherechten. Die seit den 1970er Jahren,
aber besonders im letzten Jahrzehnt stark wachsende Anzahl an Partizipationsangeboten
auf kommunaler und regionaler Ebene, in geringerer Anzahl auf Landes- und Bundesebe-
ne, deuten zwar quantitativ auf eine bedeutsame Veränderung hin, sie erfolgen aber viel-
fach in Entscheidungsmaterien mit geringer Reichweite und erkennen den involvierten
Personen nur geringe (Mit-)Entscheidungsmacht zu. Auch ist die Anzahl derer, die sich an
kooperativen Aushandlungsprozessen beteiligen, im Verhältnis zu Gesamtbevölkerung ge-
ring. Politischer Protest hat in Österreich keine Tradition und wird in der Regel rasch par-
teipolitisch kanalisiert oder sozialpartnerschaftlich domestiziert. Aus allen diesen Befun-
den lässt sich ableiten, dass der politischen Beteiligung der/des Einzelnen in Österreich ei-
ne eher untergeordnete Rolle zukommt.“ (Handler, Walter, 2014: S. 52-53)
In dieser generell pessimistischen Einschätzung gegenüber politischer Partizipa-
tion in Österreich nehmen Martina Handler und Florian Walter einen verhaltenen
Wandel wahr, wonach „Generationen in der Politik und Verwaltung nachrücken,
die kooperativer Planung und Entscheidungsfindung tendenziell aufgeschlosse-
ner gegenüber stehen“ (Handler, Walter, 2014: S. 42). Dennoch bleibt das gene-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293