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Lokale Situierung | 103
die Themenfelder Kultur- und Kreativwirtschaft, Stadtplanung, Stadterneue-
rung und Tourismus (‚city branding‘).
4) Städte als Akteure: Städte können als soziale kollektive Akteure gefasst
werden, die nach Max Weber die Entwicklungen innerhalb ihrer Grenzen
selbst beeinflussen (Weber, 1922: S. 727-741). Sie sind charakterisiert als
politisch-administrative und volkswirtschaftliche Größen, die in Bezug auf
Verteilungsfragen als zentrale Konfliktarenen relevant sind (Zembylas,
2017c). Insbesondere in Verteilungsfragen kann lokale Kulturpolitik nicht
isoliert von anderen territorialen Ebenen, insbesondere der föderalen und
der nationalen Ebene analysiert werden (Anheier, Raj Isar, 2012: S. 5).
Governance kann auch als Mehrebenensystem („Multi-level-Governance“)
betrachtet werden, in dem supranationale AkteurInnen, nationale regionale
und transnationale AkteurInnen zusammenwirken. Die Rolle der Stadt im
komplexen politischen Mehrebenensystem führt zu dem Dilemma, dass sich
einerseits der Handlungsdruck auf die lokale Ebene verstärkt, während an-
dererseits die Handlungsmöglichkeiten der Stadtpolitik begrenzt sind (Le-
fenda, 2009: S. 45). Im föderalistisch organisierten Österreich „obliegt den
übergeordneten Einheiten die Verteilungsgewalt hinsichtlich formalrechtli-
cher Kompetenzen und finanzieller Mittel, sei es durch direkte Zuweisun-
gen oder indirekt durch das Recht, eigene Steuern einzuheben. Andererseits
brauchen sie die niedrigrangigen Einheiten zur Umsetzung“ (Lefenda, 2009:
S. 44). Es ist somit eine klare Hierarchie erkennbar, bei der Bund und Län-
dern die rechtlichen Vorgaben für die Städte obliegen. Gleichzeitig ist im
Sinne von Governance eine vermehrte Koordination des Handelns notwen-
dig, da die Ebenen aufeinander angewiesen sind.
5) Lebensweltliche Relevanz: Städte können ebenso als komplexe und vielfäl-
tige Soziale Welten (Strauss, 1993) beziehungsweise Lebenswelten (Haber-
mas, 1981, 1992) gefasst werden, die die lokale kollektive-kognitive Identi-
tät formen und einen ‚common ground‘ – einen gemeinsamen Ort und Be-
deutungshorizont – für BürgerInnen, BeamtInnen und PolitikerInnen bilden.
In der städtischen Lebenswelt mit ihrer kulturellen Infrastruktur und ihren
kulturellen Angeboten wird Kulturpolitik für die BürgerInnen unmittelbar
greifbar. Der Zugang zu Kultur und Kulturpolitik – vom freiwilligen Enga-
gement in der örtlichen Bibliothek bis hin zur Mitdiskussion in Stadtent-
wicklungs- und Planungsverfahren für die kulturelle Infrastruktur – er-
scheint prinzipiell als vielfältiger und niederschwelliger als auf anderen
Ebenen. Johann Lefenda spricht von der „Stadt als Wissensraum“, die für
Wissenschaft, Kultur und Kunst Quelle der Inspiration ist und zugleich die
für die Wissensgenerierung nötigen Beziehungsstrukturen schafft (Lefenda,
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293