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Methodologische Situierung | 113
rekt Betroffenen nach der Entscheidung als „moment of truth“ (Boltanski,
Thévenot, 2006: S. 351) misst. Die Frage: „Warum ist es richtig so?“, die sich
auf die Qualität des Ergebnisses richtet, ist eine normative Frage (Rawls, 1975),
die auf die Akzeptanz einer Entscheidung durch die Betroffenen (WählerInnen,
Vorgesetzte etc.) abzielt. Das Wie der Entscheidungsfindung, der Begründungs-
zusammenhang, das (Nicht-)Zulassen von breiten Verhandlungen über Ziele und
Werte (Dewey), inklusive des erwarteten und erzielten Ergebnisses der unter-
schiedlichen Beteiligten, lässt sich am Besten auf empirischem Weg, kasuistisch
(anhand konkreter Situationen) – grounded – untersuchen. Es geht nicht nur um
das Haben von Macht in Herrschaftsstrukturen, sondern auch um das Machen
von Macht in Aushandlungsprozessen. In Erweiterung des Konzepts von Wa-
genaar kann von „meaning in context“ bzw. „meaning in situated action“ ge-
sprochen werden. Über eine empiriebasierte, dichte Beschreibung (Geertz, 2003)
gilt es, Komplexität von Situationen zu erfassen.
In Erweiterung etablierter methodologischer Ansätze der interpretativen Po-
licy-Analyse, die sich auf die Kernkonzepte Diskurse, Rahmen und Argumente
(Münch, 2015) beziehen, lenke ich meinen analytischen Fokus daher auf die Si-
tuation und die Situiertheit dieser Kernkonzepte. Bedingung der Situation ist ein
gemeinsames Problem bzw. als gemeinsames von den Beteiligten erkanntes
Problem, um gegenseitige Deutungen, Wertungen und Rechtfertigungen auszu-
lösen. „We have a situation here“ ist nicht zufällig ein Standardsatz in Action-
und Katastrophenfilmen. Das situationsauslösende Ereignis kann jedoch auch
ganz banaler Natur sein. Luc Boltanski und Laurent Thévenot beschreiben, dass
die schiere Koexistenz von Individuen und Dingen noch keine Situation erzeugt.
Erst durch die gemeinsame Involviertheit in die Umstände und die gemeinsame
Betroffenheit – ausgelöst durch ein konstituierendes Moment, etwa einen Unfall
– tritt die Frage der Rechtfertigung auf (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 58). Wie
gelingt es, sich zu einigen? Auf welche Prinzipien und Ordnungen wird dabei
Bezug genommen? Diese Handlungsorientierungen bilden nach Boltanski und
Thévenot Rechtfertigungsordnungen bzw. Welten, die „in unterschiedlichen Si-
tuationen, an verschiedenen Orten zugleich aktualisiert werden und auch in Kon-
flikt zueinander geraten können“ (Bongaerts, 2013: S. 138). Zugleich generieren
die Welten unsere Handlungsorientierungen – Welten und Handlungsorientie-
rungen haben eine reziproke Beziehung zueinander.
Hier zeigt sich auch ein zentraler Unterschied zum Konzept der Sozialen Welt
nach Anselm Strauss und Adele Clarke. In der Tradition des Symbolischen In-
teraktionismus wird Aushandlung nicht als notwendigerweise expliziter bzw.
sprachlich vermittelter Argumentationsprozess aufgefasst. Vielmehr geht es in
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293