Seite - 120 - in Cultural Governance in Österreich - Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
Bild der Seite - 120 -
Text der Seite - 120 -
120 | Cultural Governance in Österreich
Die empirische Welt liegt nicht unmittelbar transparent vor uns da, sondern ist
komplex, veränderlich, unübersichtlich und kann durch Forschung nur teilweise
und nicht unabhängig von ihren Produktionsbedingungen bzw. objektiv er-
schlossen und interpretiert werden. Wie kann mit dieser epistemologischen Prob-
lematik umgegangen werden? Wie kann von dieser Verwobenheit zwischen Da-
tengenerierung, Interpretation und Analyse ausgehend Cultural Governance er-
forscht werden? Daten werden von ForscherInnen in Interaktionen generiert:
„Data are not things given, but things observed and made sense of, interpreted. What is
accessed are sources of data; the data themselves are generated, whether by the researcher
interacting with visual/tactile/spatial sources or coproduced in conversational or partici-
patory interactions.“ (Schwartz-Shea, Yanow, 2006: S. xix)
Von jenen Menschen oder Dingen, die nicht partizipieren oder sprechen bzw.
mit denen die ForscherIn nicht interagiert, werden also keine Daten generiert.
Der Beobachtbarkeit werden Grenzen gesetzt. Dass die Situation selbst zum For-
schungsgegenstand wird, bedeutet auch, dass wir selbst als ForscherInnen – mit
unseren Annahmen, unserem theoretischen Vorwissen, unseren Methoden, gene-
rierten Daten, Interpretationen und Analysen Teil der Situation sind (Charmaz,
2015: S. 7). Da es somit unmöglich ist, von außen bzw. objektiv auf eine Situati-
on zu blicken, kann es nicht darum gehen, die Situation abzubilden, sondern vom
eigenen begrenzten Standpunkt (Haraway, 2008) aus zu analysieren.
Aus epistemischer Sicht lässt sich dabei ein Unterschied machen zwischen
dem Anspruch der Repräsentation und dem Anspruch der Analyse. Anstelle ei-
ner Repräsentation einer erlebten Erfahrung Einzelner geht es in der Tradition
der Grounded Theory (Clarke, 2015b, 2012; Kenny, Fourie, 2015; Strauss,
Corbin, 1996) um eine Analyse von Prozessen sozialer Phänomene – um eine
Analyse von Handlungen (Clarke, 2015a: S. 141) bzw. Interaktionen zwischen
AkteurInnen in einer konkreten Situation. Als postmoderner Ansatz der Groun-
ded Theory bezieht sich Adele Clarke auf die Reflexion des Vorwissens von
ForscherInnen über Theorie und Forschungsbereich, die Forschungsinteressen
lenken und die Analyse durch ihre sensibilisierende Wirkung vorantreiben kön-
nen (Clarke, 2012: S. 39).
In einem analytisch-interpretativen, laufenden Dialog zwischen Theorie und
Empirie (Wagenaar, 2011: S. 10), als welcher in dieser Studie – Anselm Strauss
und Juliet Corbin (Strauss, Corbin, 1996) folgend – die Grounded Theory ver-
standen wird, integriere und erzeuge ich sensibilisierende Konzepte und Detail-
fragen. Die Integration von Theorie und Empirie in einem schriftlichen Text er-
folgt in dieser Untersuchung ebenso in einem dialogischen Prozess. Diesen kann
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293