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Methodologische Situierung | 121
man mit Strauss und Corbin als „Hin- und Herpendeln zwischen induktivem und
deduktivem Denken“ (Strauss, Corbin, 1996: S. 89) beschreiben, beziehungs-
weise als exploratives, abduktives „Aufspüren von Beziehungen“ (Strauss, Cor-
bin, 1996: S. 91) zwischen den generierten Daten und Theoriebezügen.
Mit der Analyse und Verschriftlichung ist immer auch eine Komplexitätsreduk-
tion verbunden. Die Stärke der Grounded Theory liegt daher vor allem in der kri-
tischen Analyse, weniger – im Unterschied zu phänomenologisch geprägten An-
sätzen – in der „(Re)Repräsentation“, wie Adele Clarke den Versucht beschreibt,
„etwas erfolgreich in ein anderes Medium zu übertragen – wie etwa ein mündli-
ches Interview in eine wissenschaftliche Forschungsarbeit“ (Clarke, 2012:
S. 50). In der Tradition des Pragmatismus wird die Realität ontologisch als unbe-
stimmt („indeterminate“) verstanden:
„The world that we perceive and act in consists of multiple, emergent realities that we are
always in the process of changing. These realities are formed in negotiations between the
self and various people, objects and events.“ (Lindlof, Taylor, 2011: S. 43)
Die Krise der Repräsentation als epistemische Krise bzw. erkenntnistheoreti-
scher Paradigmenwechsel (Freudenberger, Sandkühler, 2003) ist eng mit politi-
schen Machtfragen verbunden und wird daher vor allem aus kritischer Perspek-
tive rezipiert, insbesondere von postkolonialen undfeministischen TheoretikerIn-
nen(Haraway, 2008). Die amerikanische Tradition des Pragmatismus mit John
Dewey, der offene Kommunikation als notwendige Voraussetzung für Demokra-
tie betrachtet (Dewey, 1916, 2012), und die deliberative Demokratietheorie von
Jürgen Habermas aus der Tradition der Kritischen Theorie stehen für diese nor-
mativ-kritische Orientierung.
Im Gegensatz zur klassischen Grounded Theory nach Glaser und Strauss ermu-
tigt Adele Clarke dazu, bereits vorhandene Forschungsliteratur in allen For-
schungsphasen reflektiert und erkenntnisgenerierend einzubeziehen. Ich sehe
dies ebenfalls als entscheidend an, um – wie es die feministisch geprägte Bil-
dungswissenschaftlerin Patti Lather formuliert – sowohl mit als auch gegen dis-
ziplinäre Konventionen zu arbeiten:
„[...] to explore methodological economies of responsibility and possibility that engage
our will to know through concrete efforts to both produce different knowledge and pro-
duce knowledge differently.“ (Lather, 2007: S. 135)
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293