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Methodologische Situierung | 125
von politischen Verhandlungsprozessen gilt es daher, diesen hybriden und hete-
rogenen Arrangements besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das Zulassen
anderer Sichtweisen in politischen Arenen, über die potentiell Kompromisse er-
zeugt werden können, ist ein Kennzeichen von Deliberation. Zugleich bedeutet
eine Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven und Positionen in kommuni-
kative Handlungen noch nicht die Einbeziehung unterschiedlicher AkteurInnen.
Es kann sich somit um Fürsprache als reine Anmaßung einer Perspektive bzw.
Position handeln, ohne dass konkrete AkteurInnen ihre eigene Meinung aktiv
und anwesend, eigenmächtig und eigenständig vertreten.
Dennoch sorgt diese semantische Unschärfe der theoretischen bzw. analyti-
schen Konzepte für Verwirrung; sie erzeugt auch bei der Forscherin (und auch
bei den LeserInnen) den Wunsch, sich auf eine in sich kohärente Bedeutung zu
einigen, Ordnung zu schaffen. Letztlich sind die theoretischen sozialwissen-
schaftlichen Konzepte Hilfsmittel, die ForscherInnen dabei unterstützen, die em-
pirische Welt zu analysieren (und nicht, diese zu repräsentieren). Einerseits geht
es also darum, möglichst hilfreiche Konzepte für die jeweilige analytische Fra-
gestellung zu finden und andererseits darum, zu akzeptieren, dass die empirische
Welt uneindeutig ist. Adele Clarke plädiert dafür, die „Widersprüche, Unregel-
mäßigkeiten und ausgesprochene Unordnung der empirischen Welt direkt zu
thematisieren“ (Clarke, 2012: S. 58). Diese semantischen Unschärfen, Umdeu-
tungen und Umbenennungen sind nicht nur unvermeidbar, da die Elemente in
den beobachteten Situationen mehrdeutig sind, sie sind auch analytisch nützlich:
Zum einen, da sie in Bezug zu den Akteuren, auf ihre Absicht, ihre Anerken-
nung, ihr Ignoriert- bzw. Kritisiert-Werden untersucht werden können. Zum an-
deren, da sie durch ihre unterschiedlichen (Be-)Deutungen Kategorien aus unter-
schiedlichen Rechtfertigungsordnungen (sechs Welten nach Boltanski und
Thévenot (Boltanski, Thévenot, 2014)) zuordenbar sind und somit untersucht
werden kann, wie Konflikte entstehen, wie Kompromisse angebahnt werden und
wie AkteurInnen versuchen, Situationen durch Argumente zu entscheiden. Diese
Bedeutungen können in Bezug zu ihrer spontan, routiniert oder rhetorisch be-
wusst hergestellten Wirkungsweise in Verständigungssituationen hin analysiert
werden. Die Voraussetzung bilden die den AkteurInnen in konkreten Situationen
zur Verfügung stehenden kognitiven, kulturellen, erfahrungsgeleiteten, emotio-
nalen, intuitiven, normativ geleiteten, nutzenkalkulierenden Möglichkeiten bzw.
Kompetenzen (Böhle, 2009; Boltanski, Thévenot, 2014: S. 201-205)). Diskursi-
ve Konstruktionen von Aktanten sind damit mehr als Themen oder Referenzge-
genstände der Rede, sie konditionieren die Interaktion in der Situation durch
Sinn(gebung) und relationale Materialität (Clarke, 2012: S. 49).
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293