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224 | Cultural Governance in Österreich
Argumentiert wird die Investition in Kultur hier mit Rechtfertigungsprinzipen
aus der staatsbürgerlichen Welt (Solidarität, die Spaltung überwinden, (Boltan-
ski, Thévenot, 2014: S. 260)). Hinzugezogen werden Rechtfertigungsprinzipien
aus der Welt der Meinung (das Image in der Öffentlichkeit, bekannt sein, stolz
sein, davon erzählen (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 246)) sowie der häuslichen
Welt (leben, wohlfühlen (ibd. S. 232)). Als eine Lösung der Konflikte schlägt
zuvor zitierte Person vor, die Stadt im Kulturbereich noch stärker Prinzipien der
industriellen Welt zu unterwerfen, um somit die Effizienz der Investitionen bes-
ser begründen und gezielter steuern zu können:
„Es sind schon immer wieder Versuche gemacht worden, aber auch hier würde ich verlan-
gen, systematischer und begleitend zu arbeiten, Kontrolle, Berichtspflicht – also um diese
Systeme in die Dynamik zu bringen, muss man viel dynamischer und durchaus dirigisti-
scher vorgehen“ (VERLI2).
Diese Argumentation für eine stärkere Steuerung im Kulturbereich über instru-
mentelles Handeln verkennt, dass ein Spannungsverhältnis zwischen der staats-
bürgerlichen Welt und der industriellen Welt im Arrangement der Stadt inhärent
ist. Die Legitimität städtischen Handelns beruht zunächst auf staatsbürgerlichen
Prinzipien, Rechten, Verordnungen, in denen der ‚Allgemeinwillen‘ der Stadt als
Gebietskörperschaft bzw. Kollektivperson ausgedrückt ist. Die Verwaltung ist
diesem als ausführendes Organ untergeordnet (Boltanski, Thévenot, 2014:
S. 443), es muss daher in der Praxis immer wieder ausgelotet werden, wie die
Kompetenz der Verwaltung innerhalb der geltenden staatsbürgerlichen Prinzi-
pien und Rechtsnormen ausgelegt werden kann.
Das Kompositum der Leistungsgesellschaft birgt das Dilemma zwischen
staatsbürgerlichen, gemeinwohlorientierten Prinzipien und industriellen Katego-
rien ebenfalls in sich. Beherrschung und Effizienz stehen Solidarität und Ge-
meinsamkeit gegenüber. Ein rein technokratisches staatliches Vorgehen, das die
Bedürfnisse der Menschen übersieht bzw. ausblendet, führt zu Entsolidarisierung
bzw. zu totaler Bürokratie. Um das Spannungsverhältnis zwischen der staatsbür-
gerlichen Welt (der Volkssouveränität), und der industriellen Welt (dem Staats-
apparat), aufrechtzuerhalten, braucht es das Instrument der Kritik, das durch
mehrere Grundrechte (z.B. Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Gesin-
nungsfreiheit, Freiheit der Kunst) garantiert ist.
Der Anspruch, alles in Frage zu stellen und damit die (Herrschafts-)Verhältnisse
und die Strenge der Hierarchie (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 404) zu irritieren,
ist sowohl der Welt der Inspiration als auch der staatsbürgerlichen Welt zu eigen
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293