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ist die Politik, auch die jeweilige Landespolitik, direkt in die Steuerung der städ-
tischen und stadtnahen Kulturbetriebe eingebunden. Die gegenseitigen Abhän-
gigkeiten sind hybride Arrangements zwischen der häuslichen Welt (Vertrauen,
gute Beziehungen), der industriellen Welt (Kontrolle, Aufsicht, Steuerung), der
staatsbürgerlichen Welt (Räte, Gremien, rechtliche Formen) sowie der Welt der
Meinung (offizielle Personen) und der Welt des Marktes (Geschäftstätigkeit).
Diese Hybridität ist anfällig für Konflikte:
„Die Politiker fühlen sich, sobald sie im Aufsichtsrat sitzen, dieser Einrichtung verant-
wortlich und sind es natürlich auch nach dem Gesellschaftsrecht. Das ist eine ganz
schwierige Situation.“ (VERLI2)
Die Situation ist zusätzlich komplex, da in der Stadt sehr viele und heterogene
Kulturbetriebe versammelt sind. Die Einbindung in Aufsichtsräte einzelner Kul-
turbetriebe privilegiert die Beziehung der PolitikerInnen gegenüber Kulturbe-
trieben, die nicht im Besitz der öffentlichen Hand sind, und schafft somit eine
Voraussetzung für eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots aller Förder-
werber. Diese Hierarchisierung zeigt sich auch bei Beratungsgremien wie dem
Linzer Stadtkulturbeirat, so ein interviewtes Mitglied (KBLI):
„Es sind eher die Freien, die aktiv sind, was ich darauf zurückführen würde, dass die gro-
ßen Häuser und Institutionen einen anderen Zugang zur Politik haben und nicht den Stadt-
kulturbeirat brauchen. Die aus der freien Szene nützen diese Gremien hauptsächlich oder
sehen eher einen Wert darin, weil sie halt sonst keine Zugänge zur Politik haben. [Nen-
nung eines städtischen Kulturbetriebs] wird mit einer Forderung nicht in den Stadtkultur-
beirat gehen, damit es ein halbes Jahr später an die Politik geht. Die wird sich einfach ei-
nen Termin ausmachen bei ihrem Aufsichtsrat, der politisch besetzt ist. Fertig. Oder sie
wird zum Bürgermeister gehen.“ (KBLI)
Auch berichten die Interviewpersonen im Bereich der freien Kulturszene von ei-
ner tendenziellen Verlagerung der Kommunikation mit Politik und Verwaltung
in eher informelle Sphären (persönliche Treffen mit einzelnen Vereinen bzw.
Initiativen, persönliche E-Mails, Gespräche bei Veranstaltungen). Neben dieser
Möglichkeit, die Individualisierung, Privilegien und Konkurrenz eher unter-
stützt, kann sich die freie Kulturszene über die Formulierung von Forderungen
(über Dachverbände wie die IG Kultur, KUPF Oberösterreich oder Berufskollek-
tive) Zugänge zu Politik und Verwaltung verschaffen und dabei Öffentlichkeit
und gemeinsame Identifikation mit kulturpolitischen Anliegen erzeugen. Eine
Herausforderung liegt dabei in der Notwendigkeit, dass sich individuelle, hete-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293