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zu kommen beim Stammpublikum Prinzipien der häuslichen Welt (Abstam-
mung, Tradition, (familiäre) Gewohnheit (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 230)).
Diese unterschiedlichen Abhängigkeiten vom Publikum sorgen dafür, dass
grundsätzliche Veränderungen in öffentlichen Kulturbetrieben oft nur mit Kon-
flikten vonstattengehen. Diese sind allerdings grundsätzlich positiv zu sehen, da
sie unter anderem die „Revision mancher tradierten Ansichten und tief verwur-
zelte Vorurteile“ (Zembylas, 2004: S. 159) bewirken können.
In der Stadt bedeutet, etwas Neues zu wagen, sich auch gegen den Einfluss bür-
gerlich-konservativer Eliten auf die politischen Entscheidungen zu wenden:
„Die Stakeholder in einer Stadt sind bürgerlich orientierte Menschen, das ist einmal so, die
wollen halt die Wiener Philharmoniker zweimal im Jahr hören.“ (VERLI)
„Bürgerlich“ steht hier für eine traditionell-konservative Beziehung zur Welt der
Kulturbetriebe. Hinzu kommt ein Kulturtourismus, der eine wichtige Einnahme-
quelle ist und sich auch eher an einem traditionellen „bürgerlichen“ Kulturver-
ständnis orientiert (VERLI). Dieses Image in der bürgerlichen Öffentlichkeit (als
hybrides Arrangement zwischen der Welt der Meinung und der staatsbürgerli-
chen Welt) und eine Orientierung am Markt (etwa dem Tourismus) verhindern
tendenziell Innovation. Etwas Neues zu wagen, aus dem Gewohnten auszubre-
chen (als Investition der inspirierten Welt nach Boltanski und Thévenot) bedarf
also mitunter zunächst geheimer, informeller Absprachen, um Verbündete zu
gewinnen. Dies trifft insbesondere zu, wenn das Vorhaben zur Realisierung und
Finanzierung eine Zustimmung der PolitikerInnen braucht, etwa als es im Linz
der 1980er und 1990er Jahre darum ging, das Ars Electronica Festival und Cen-
ter (AEC) zu etablieren. Über diese Situation berichtet ein/e Beteiligte/r im In-
terview:
„Da gab es damals in einem Lokal ein intimes Gespräch [zwischen Beteiligten aus Kultur-
verwaltung, Medien, Wissenschaft und Politik]. Das war damals auch, als diese junge Po-
litikergeneration gekommen ist und zu denen haben wir gesagt, wenn ihr wollt, dass das
Ars Electronica Festival Bestand hat, dann brauchen wir einen Ort dafür, also wir müssen
einen Ort schaffen, wo es Hardware gibt und vor allem Software, wo es Leute gibt, die ein
ganzes Jahr für das Thema Ars Electronica, digitale Welt usw. arbeiten. [...] Irgendwann
hat der Bürgermeister gesagt: Ich weiß eigentlich nicht, was das werden soll, aber es
klingt spannend, machen wir es. Also man kann es eh zitieren, es ist eigentlich eine sehr
mutige Entscheidung gewesen. Er hat gesagt, okay, ich habe das Gefühl, es passt zur Stadt
und wenn es nichts wird, dann hören wir nach fünf Jahren wieder damit auf.“
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293