Seite - 240 - in Cultural Governance in Österreich - Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
Bild der Seite - 240 -
Text der Seite - 240 -
240 | Cultural Governance in Österreich
dern Autorität und Erfahrung, gepaart mit Spezialistentum, Expertise und Ar-
beitsteilung. Darin ähneln sie etwa Universitäten. Standorte und Standpunkte als
räumliche Ordnungen werden in den Kulturbetrieben von SpezialistInnen (etwa
KuratorInnen) bestimmt. Ordnungsprinzipien als Prinzipien der industriellen
Welt (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 280-281) regeln im Kulturbetrieb Bezie-
hungen zwischen BetrachterIn und Objekt, Bühne des Geschehens und Zuschau-
erIn.
Über die Seele des Hauses (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 241) kommt auch
der Bildungsauftrag von Kulturhäusern zu tragen. Hier geht es um die Vermitt-
lung von Wissen und die Ermöglichung von Erfahrungen insbesondere gegen-
über Kindern, Jugendlichen und anderen Gruppen, die Fürsorge bedürfen. Der
Bildungsauftrag umfasst auch einen Prozess der Bewusstwerdung im Sinne des
Erwerbs von Urteilsfähigkeit – und damit ein Prinzip der staatsbürgerlichen
Welt. John Dewey spricht davon, dass Bildung auch ein Wachstum bedeutet
(education as growth). Hier gibt es eine Verbindung zum Begriff der Phronesis
als praktische Fähigkeit, richtig bzw. gerecht zu handeln:
„Einsicht in einen politischen Sachverhalt heißt nichts anderes, als die größtmögliche
Übersicht über die möglichen Standorte und Standpunkte, aus denen der Sachverhalt ge-
sehen und von denen her er beurteilt werden kann, zu gewinnen und präsent zu haben.“
(Arendt, 2003: S. 97)
Die demokratische Qualität von Gesellschaften zeichnet sich nach Dewey genau
dadurch aus, dass sie ihren Mitgliedern ermöglichen, nicht nur der Kraft der
Konventionen und Gewohnheiten („customs“) unter Kontrolle einer überlegenen
Klasse zu vertrauen und diese zu schützen, sondern einen Vergleich mit anderen
Gesellschaften, einen „socialized interest“ (Dewey, 1916: S. 330) fördern. Diese
Gesellschaften sind daher wachstums- bzw. entwicklungsfähig („progressive“,
ibd.). Kulturinstitutionen können sich als bewahrend positionieren – oder sich
öffnen und die Impulse aus anderen Teilen der Gesellschaft bzw. Sozialen Wel-
ten aufnehmen.
Die Aufgabe, sich als Kulturinstitution gesellschaftspolitisch zu positionieren,
steht in einem Spannungsverhältnis zum Anspruch, sich mit der Kunst auch vom
Geschmack der Massen als entsubjektiviertes, unbestimmtes und daher Miss-
trauen erzeugendes Kollektiv abzusetzen, nicht das Populäre und leicht Vermit-
telbare anzubieten, sondern als inspirierte ExpertInnen – KuratorInnen, Regis-
seurInnen, KomponistInnen – innovative Konzepte zu entwickeln. Die Räume
für Kontakt und Konflikt werden von den Häusern und ihren Leitungen definiert,
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293