Seite - 244 - in Cultural Governance in Österreich - Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
Bild der Seite - 244 -
Text der Seite - 244 -
244 | Cultural Governance in Österreich
merlein die Spinnweben und die Akten wegputzt. Dann hat man auf der anderen Seite die
Verwaltung – Kulturverwaltung ist ein schönes Beispiel –, die aktiv wird und ein Linz
Fest in dem Fall zum Beispiel macht und als Veranstalter auftritt, das heißt die vielmehr
gestalterische Kraft der Verwaltung ist sicher zunehmend gewesen oder vielleicht auch
noch immer zunehmend, das bedeutet auch mehr politische Gestaltungskraft und -macht
der Verwaltung gegenüber früher. Ganz sicher.“ (KBLI2)
In der Perspektive der hier interviewten Person manifestiert sich, dass die Ver-
waltung ihren Gestaltungsanspruch auf verschiedene Weisen legitimiert, etwa
durch einen Kompromiss mit der Sozialen Welt der PolitikerInnen, der über ein
Arrangement zwischen Kategorien der häuslichen Welt und Kategorien der in-
dustriellen Welt (Loyalität und Fachwissen, die ExpertInnen, auf die man sich
verlassen kann) erzielt wird. Auf dieser Basis wird der Gestaltungsanspruch der
Verwaltung als Arrangement zwischen der inspirierten Welt (Kreativität) und
der Welt des Marktes (selbstständiges, unternehmerisches Handeln) in die
staatsbürgerliche Welt eingefasst. Kritik („Druck von außen“) an der vermeintli-
chen ineffizienten und in sich selbst zurückgezogenen, weltabgewandten Ver-
waltung führt zur Aktivierung der Verwaltung als kreativer Kulturunternehmer
(Entrepreneur). In dieser Möglichkeit, opportun und gestalterisch zu agieren,
kann auch eine gewisse Emanzipation von den hierarchisch übergeordneten poli-
tischen AmtsträgerInnen wahrgenommen werden. Allerdings liegen die meisten
und letztlichen Entscheidungen über den Gestaltungsraum nach wie vor bei der
Politik. In Linz wurde etwa entschieden, das von der Linz Kultur (Kulturverwal-
tung der Stadt Linz) organisierte Linz Fest nur noch im zweijährigen Rhythmus
stattfinden zu lassen. Sowohl in Linz als auch in Graz agieren die leitenden
FachbeamtInnen als EntrepreneurInnen (Clarke, 2012: S. 151) und Kommunika-
torInnen, die aktiv das Gespräch mit Vertretern des Kulturbetriebs sowie mit an-
deren Verwaltungseinheiten und -ebenen und PolitikerInnen aller Parteien su-
chen. Als Handlungsanspruch kommt dies in der Aufgabenbeschreibung des
Kulturamts Graz deutlich zum Ausdruck:
„Neben der Förderung des künstlerisch-kulturellen Schaffens der Stadt Graz versteht das
Kulturamt seine Funktion als Teil eines Netzwerkes zwischen Kunstschaffenden / Kultur-
initiativen und politischen EntscheidungsträgerInnen auch als Mittler zu anderen Magist-
ratsabteilungen und Institutionen in Stadt, Land und Bund dort, wo es um die Verwirkli-
chung von Kunstprojekten geht.“ (Stadt Graz, 2015)
Hier zeigt sich auch die Selbstverpflichtung („commitment“) (Clarke, 2012:
S. 148) der Sozialen Welt der Kulturverwaltung gegenüber ihrem Gegenstand.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293