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248 | Cultural Governance in Österreich
Steuerungsgruppenmitgliedern aus Verwaltung, Kulturbereich und Wissenschaft
um einzelne Formulierungen „gerungen“ (INT_KBLI2). Die gemeinsame Inten-
tion war dabei, das Dokument als strategisch-inhaltliche Grundlage der kulturel-
len Entwicklung in Linz im Gemeinderat mehrheitsfähig zu machen. Die Deu-
tungsmöglichkeiten der Konzepte und deren mögliche Konsequenzen waren Ge-
genstand der Diskussion. Dabei ging es um Fragen wie: Soll von anti-rassis-
tischer Kulturarbeit oder interkultureller Kulturarbeit die Rede sein?
Zudem weigerten sich die politischen EntscheidungsträgerInnen, Zahlen be-
züglich der Steigerung der Budgets für die Freie Szene in den Kulturentwick-
lungsplan zu nennen, da die Entwicklung der Budgets nicht prognostizierbar sei.
Angesichts der erfolgten Kürzungen wirkt diese Verweigerung so, dass hier sei-
tens der PolitikerInnen bewusst ein Entscheidungsspielraum gelassen wurde
(„wir wollen uns jetzt nicht auf Zahlen festschreiben“ (KBLI2)), da Zahlen ge-
genüber der Öffentlichkeit eine stärkere Verpflichtung ausdrücken als sogenann-
te „sanfte Formulierungen“ (KBLI2).
Die Absicht der Verwaltung ist es, dass die Politik ihre Arbeit unterstützt. Um-
gekehrt hat die Politik ein Interesse daran, dass die Verwaltung ihr gut zuarbeitet
und loyal ist (Dienstbarkeit als Kategorie der häuslichen Welt (Boltanski,
Thévenot, 2014: S. 237)). Deutlich wird in den Aussagen der FachbeamtInnen
der Kulturverwaltung, dass sie sich als KennerInnen des „Systems“ (VERLI2)
(als Konstellation der industriellen Welt in der staatsbürgerlichen Welt, Arbeits-
teilung und Funktionieren der Gemeinde) verstehen. Sie wissen auch, wann sich
zeitlich gute Gelegenheiten, als „windows of opportunity“ (VERLI) ergeben, ein
inhaltliches Thema „auf die politische Agenda zu bringen“ (ibd.). Solche Gele-
genheiten bieten sich etwa, wenn Positionen, Gremien und Ausschüsse neu be-
setzt werden. Hier zeigt sich erneut opportunes, unternehmerisches Handeln der
Kulturverwaltung.
Die Handlungen der Welt der Kulturverwaltung sind von einer antizipieren-
den und vorausschauenden Perspektive geprägt: dem (Vor-)Formulieren von
Konzepten und Ideen, dem Erkennen von Möglichkeiten, dem Vorbereiten von
Sitzungen, der Planung von Strategien und Veranstaltungen, dem Erinnern an
anstehende Termine und dem informellen Reservieren von Budgets. Damit ver-
bunden sind unterschiedliche Rechtfertigungslogiken: für ein Thema zu mobili-
sieren (staatsbürgerliche Welt), neue Entwicklungen in Gang zu setzen (Kom-
promiss zwischen der inspirierten Welt und der industriellen Welt), Kontinuität
zu gewährleisten (Konstellation der industriellen Welt) und selbst aktiv zu wer-
den (Investition der Welt des Marktes). Eine genaue Kenntnis der Routinen und
zeitlichen Abläufe (Einreichfristen, Wahlprozesse, regelmäßige Sitzungstermine,
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293