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nicht im Licht der Öffentlichkeit. Entscheidungen, die für die betroffenen För-
derwerberInnen negativ sind (etwa die Ablehnung von Förderansuchen) kann sie
kommunizieren, ohne dass dabei ein Schatten auf ihr Ansehen fällt, denn sie
kann sich auf in der staatsbürgerlichen Welt legitimierte Instanzen und Verfah-
ren (Beiräte, Gemeinderäte, AmtsträgerInnen) und auf rechtliche Regelungen be-
rufen. Obwohl die Verwaltung nicht genötigt ist, kommunikativ zu handeln, da
sie sich auf rechtliche Regelungen stützen kann (Habermas, 1995: S. 460), fühlt
sie sich dennoch einer moralischen Instanz gegenüber verpflichtet. Diese veran-
lasst sie etwa dazu, auch für negative Entscheidungen für Verständnis zu wer-
ben. Spürbar ist etwa ein Unbehagen mit der Rolle des Überbringers schlechter
Nachrichten:
„Die 1990er Jahre, bis Anfang der 2000er, waren noch die fetten Jahre. Politiker haben
gerne Termine gemacht mit den Förderwerbern, weil sie jedem etwas geben konnten. Wie
dann die Zeit gekommen ist, wo es nichts mehr gegeben hat, haben wir die Termine wahr-
genommen.“ (VERLI2).
Während die PolitikerInnen als Soziale Welt unter sich wenig solidarisch sind,
sondern divergierende Interessen – der Ressorts und Parteien – und Einzelgän-
ger, individuelle Profilierungsversuche, ständig integrieren müssen, ist die Sozia-
le Welt der Verwaltung stärker durch ein Kollektivempfinden geprägt. Das be-
deutet nicht, dass es innerhalb der Verwaltung keine Konflikte gibt. Die funktio-
nale Hierarchie und Arbeitsteilung werden aber viel weniger in Frage gestellt.
Die Kulturverwaltung versteht sich entsprechend eher als Team („Gruppenar-
beit“ als Kompromiss der staatsbürgerliche Welt und der industriellen Welt,
(Boltanski, Thévenot, 2014: S. 440)). Die Arbeit ist einerseits stark formalisiert
und routinisiert, sie folgt Fristen und verwendet klar strukturierte Formulare
(Aktanten, die Kategorien der industriellen Welt materialisieren). Andererseits
ist sie mit einem hohen Maß an Kommunikation verbunden, die gerade im städ-
tischen Raum oft auch persönlich bzw. informell verläuft – wenn etwa Förder-
werberInnen an Fristen erinnert werden, Unterstützung beim Ausfüllen von
Formularen angeboten wird, Kulturveranstaltungen auch ohne offizielle Aufgabe
besucht werden.
Insbesondere diese informelle Arbeit ist für die Kulturverwaltung sehr auf-
wändig und sprengt oft den Rahmen der Dienstzeiten, etwa wenn es um Abend-
und Wochenendveranstaltungen geht. Für diese Tätigkeiten stehen der Kultur-
verwaltung wenig Personal- und Zeitressourcen zur Verfügung. Geld als Aktant,
der die Welt des Marktes abbildet, ist ein großes Thema in der sozialen Welt der
Kulturverwaltung, das viel kommunikative Aufmerksamkeit braucht. Jedoch
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293