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dividuellen Vorlieben bzw. bringen Kreativität und Inspiration in die formali-
sierte Welt der Behörden.
Die persönliche Beziehung zu RepräsentantInnen der Kulturbetriebe, insbe-
sondere zu einzelnen FördernehmerInnen von nicht gebundenen Subventionen
(Kulturvereine, Künstlerinnen, Kulturschaffende), bringt auch eine emotionale
Verpflichtung mit sich. Diese verdeutlicht sich etwa, wenn der „Kummer mit
Geld“ (VERLI) für die MitarbeiterInnen der Kulturverwaltung unmittelbar er-
fahrbar wird. In diesen Fällen wird deutlich, dass die Kulturverwaltung auch
nach Kategorien der häuslichen Welt (Fürsorge) handeln möchte, dies aber auf-
grund der Einschränkungen durch Regeln und Gesetze im Förderwesen nicht
kann. In den Gesprächen mit RepräsentantInnen der Verwaltung wählen diese
oft die Formulierung „man“ oder das kollektive Pronomen „wir“, wenn sie über
Routinen, Normen und Regeln sprechen. Dies impliziert eine innere Distanzie-
rung von persönlichen Präferenzen für den gemeinsamen Dienst an der Sache.
Aus der Welt der Verwaltung spricht als normative Verpflichtung der Versuch,
gerecht zu entscheiden, die Welt der Kunst und Kultur sehr differenziert in ihrer
Vielfalt zu betrachten und zugleich nicht einzelne KünstlerInnen und Kultur-
schaffende zu bevorzugen. Dabei steht sie in einem Dilemma, da sie weiß, dass
die zahlreichen potentiellen EmpfängerInnen von Kulturförderung nie ausrei-
chend und umfassend gefördert werden können. Sie möchte ihnen gegenüber ge-
recht handeln (der Einsatz für eine gerechte Sache als Prüfung der staatsbürgerli-
chen Welt (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 263)), aber sie kann nicht alle zufrie-
denstellen. Deutlich wird auch, dass die MitarbeiterInnen ein Überangebot auf
einem Kulturmarkt wahrnehmen, das sie ambivalent beurteilen:
„[...] jede noch so kleine Zusatzförderung wird als der große Erfolg verkauft. In Realita
kriegen die Leut immer weniger und machen mit immer weniger immer wer. Also ich
weiß nicht, wie das lösbar ist. Also es definiert sich dann alles übers Geld, was sehr
schlecht ist, aber die Kreativität, glaub ich, wäre wirklich da, die Entwicklungschancen
sind halt in Städten wirklich eingegrenzt. [...] Wenn man diesen Veranstaltungskalender
einmal anschaut und ausrechnet, dass in Graz 100 Kulturveranstaltungen am Tag sind,
dann ist das eigentlich ein wirklicher Wahnsinn, ein Wahnsinn im positiven Sinn, ich
schwärme dafür, wenn ich das so formuliere. Aber es ist natürlich auch ein extremes An-
gebot, das in Wahrheit niemand so konsumieren kann.“ (VERG)
Die verzweifelt erscheinende Suche nach einer Lösung (Wie kann das System
geändert werden?) richtet sich hier nicht auf staatsbürgerliche Prüfungen (delibe-
rative Versammlung, Rat, Streit (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 263), sondern
auf Kategorien der industriellen Welt. Die interviewte Person kritisiert hier die
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293