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258 | Cultural Governance in Österreich
stehen. Diese können zu gegenseitigem Misstrauen und damit Fragmentierungen
in den Sozialen (Sub-)Welten der Kulturbetriebe führen, da Entscheidungen
mangels transparenter Verfahren als ungerecht bzw. nicht akzeptanzwürdig emp-
funden werden.
Da es keine offizielle Begründung gibt, nutzen FörderwerberInnen informelle
Möglichkeiten, etwa bei der Verwaltung oder bei den Beiratsmitgliedern nachzu-
fragen, wie sie künftig ihr Ansuchen am besten positionieren, wie der laufende
Stand der Entscheidung aussieht, warum die Entscheidung positiv oder negativ
ausgefallen ist. Dies erhöht einerseits den Kommunikationsaufwand der Bei-
ratsmitglieder und der Verwaltung erheblich (VERG), andererseits bleibt die
Kommunikation im privaten und individuellen Raum. So werden noch mehr in-
dividuelle Meinungen bzw. Gerüchte generiert, die für eine zusätzliche Konkur-
renz sorgen – etwa darüber, wer einen Informationsvorsprung hat, wer den ‚bes-
seren Draht‘ zu Verwaltung oder Beiratsmitgliedern hat. Der Transparenz und
Akzeptanz des Verfahrens ist damit nicht geholfen, im Gegenteil.
Warum sind Jury- bzw. Fachbeiratssitzungen im Allgemeinen nicht öffent-
lich? Ein Argument gegen öffentliche Jurysitzungen lautet, dass damit (vor allem
bei einer kritischen Beurteilung) die Integrität der EinreicherInnen gefährdet
werde. Dies kann jedoch als eine Frage des Diskussionsstils gesehen werden, der
über klare Gesprächsregeln und gegebenenfalls eine Moderation eingeübt wer-
den kann. Dazu gibt es eine große Beratungsliteratur, aus der beispielhaft der
Band „Die wertschätzende Organisation“ der sozialkonstruktionistisch und dia-
logisch-kollaborativ orientierten Psychologen Kenneth J. Gergen und Klaus G.
Deissler zitiert werden kann. Gergen und Deissler gehen davon aus, dass wir
„vermittels unserer Beziehungen – also Gespräche, Gesten und Handlungen“ be-
stimmen, „was wirklich und wertvoll für uns ist. Vermittels unserer Beziehungen
erzeugen wir das, was wir Rationalität nennen, das, was wichtig wird und das,
was wertvoll ist oder nicht“ (Anderson u.a., 2004). Sie fassen diese Beziehungen
normativ als Gesprächspartnerschaften. Deren Schlüsselmerkmale sind es,
• den anderen zu schätzen und dem anderen wertschätzend zuzuhören
• „Nicht-Wissen zu kultivieren“ (d.h. eine Haltung der offensiven Neugier und
des Interesses am anderen anstatt eines individuellen, autoritären und allwis-
senden Expertentums)
• „vielfältige Selbste zu kultivieren“ (d.h. die Anerkennung widersprüchlicher
Einsichten, Ideen und Rationalitäten und das experimentelle Spiel mit diesen
unterschiedlichen Perspektiven statt einer Suche nach einer kohärenten, kon-
sistenten und integren Idee) und
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293