Seite - 280 - in Cultural Governance in Österreich - Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
Bild der Seite - 280 -
Text der Seite - 280 -
280 | Cultural Governance in Österreich
Frauen wird sie zudem auf den Sektor der unbezahlten („ehrenamtlichen“) Ar-
beit verwiesen und damit nicht als professioneller Partner anerkannt, mit dem
man auf Augenhöhe Probleme und Lösungen besprechen kann. Teilweise trägt
die Freie Szene auch selbst durch ihre Argumentationen zu diesem Bild bei. Eine
aus ihrer Perspektive legitime Argumentation, denn angesichts der immer knap-
per werdenden öffentlichen Förderung bei hohem unentlohntem Arbeitsaufwand
ist die ökonomische Situation vieler freier Kulturvereine sowie Kunst- und Kul-
turschaffender zunehmend prekär. Im Diskurs sollte jedoch klar zwischen frei-
willigem ehrenamtlichem Engagement und unfreiwilliger unbezahlter Arbeit ge-
trennt werden.
Ambivalent ist die Verlagerung von Kommunikationswegen in die nicht-
öffentliche Sphäre (etwa über E-Mails, informelle Gespräche). Einerseits werden
so Handlungsmöglichkeiten geschaffen, etwa wird eine öffentliche Kritik von im
Geheimen vorbereiteten politischen Entscheidungen möglich. Andererseits ent-
stehen so neue Konkurrenzbeziehungen bzw. werden privilegierte Zugänge etab-
liert – die Ausgangsbedingungen für Verhandlungen werden unfair.
Den MitarbeiterInnen der Kulturverwaltung kommt auf lokaler Ebene eine
besondere Bedeutung als VermittlerInnen zwischen PolitikerInnen und zivilge-
sellschaftlichen Gremien zu. Dabei handeln sie nicht nur altruistisch, sondern
verfolgen auch eigene Ziele. Im Handeln und der Argumentation der Verwaltung
verdeutlicht sich eine Interpretationskompetenz von Situationen und Akteurs-
konstellationen. Diese hat sie aufgrund ihrer kontinuierlichen Arbeit erworben.
Dabei beschränkt sie sich nicht auf eine Beobachter-, Service- und Vermittler-
perspektive, sondern kann initiativ werden, schafft aktiv eigene Handlungsräu-
me. Sie tritt damit auch strategisch bzw. unternehmerisch auf. Das aktive Auftre-
ten wird paradoxerweise einerseits politisch unterstützt (Stichwort New Public
Management, Service- und Dienstleistungsorientierung), andererseits aber auch
durch knappes Personal und regulative Entscheidungsstrukturen (mit der Recht-
fertigung einer Effizienzorientierung) eingeschränkt. Die Abhängigkeit der Ver-
waltung von politischen Entscheidungen wird einerseits von ihr als Teil des pro-
fessionellen Habitus akzeptiert, andererseits sorgt sie auch für Unbehagen und
veranlasst damit die Wahrnehmung eigener Handlungsmöglichkeiten innerhalb
des regulativen, hierarchischen Rahmens. Die Verwaltung sucht daher aktiv nach
kreativen Möglichkeiten, das oft spontane und individuelle politische Handeln
strukturierter und geplanter zu gestalten, vor allem durch eine antizipative Per-
spektive (etwa das Vorbereiten von Konzepten, die Strukturierung von Sitzun-
gen oder eine langfristige Kulturentwicklungsplanung).
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293