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Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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38 Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 dennoch wurde ihr Denken von den liberalen Publizisten des Vormärz als Nachlass zu Lebzeiten beansprucht, deren Kritik an der Vätergene- ration daher meist privaten Briefen vorbehalten blieb.45 Im Vormärz kam es zu einem Vermächtniswettbewerb um den spätaufgeklärten Gelehrtenpatriotismus. Damals begannen etwa deutsch- und tsche- chischsprachige Böhmen, einander wechselseitig die Vereinnahmung des Gelehrtenpatriotismus für die eigenen nationalliberalen Ziele vorzuwerfen, während sie für sich selbst das genuine Verständnis der normativen Vergangenheit und gegenwärtigen Bedürfnisse des Landes in Anspruch nahmen. Damals machten deutschböhmische Schriftsteller den tschechischen »Hyperpatrioten« das Erbe der Gelehrtenpatrioten streitig, ikonische Figuren wie Joseph Dobrovský wurden gegen die Vermächtnis rhetorik der tschechischen Wiedergeburt in Schutz genommen.46 Damit wollte man die von den nationalliberalen Protagonisten behauptete bruchlose Entwicklung von der Spätaufklärung zu ihrem eigenen Nationskon- zept als Stringenzillusion entlarven. Das war freilich eine paradoxe Konstellation, zumal die deutschsprachigen Patrioten nicht weniger begeistert von der Entdeckung der böhmischen Sprach- und Rechts- altertümer waren47 und, ebenfalls in Eintracht mit ihren tschechischen Zeitgenossen, der Wertschätzung der Spätaufklärer für die Christia- Bd. I, Die Urgeschichte und die Zeit der Herzöge in Böhmen bis zum Jahr 1197, Prag, 1836, in: Rep 14 (1837), 182-185. 45 Vgl. Josef Jungmann an Antonín Marek, 30. 12. 1809: »[…] nur Dobrovský weilt noch unter uns. Wenn der alte Wirt entschläft, muß sich der junge um den Haushalt kümmern; daß er nicht diese Erfahrung besitzt  – was tut es! Er wird sie erwerben!« Josef Jungmann, Boj o obrození národa. Výbor z díla Josefa Jungmanna [Kampf für das Erwachen der Nation. Auswahl aus den Werken Josef Jungmanns], hg. v. Felix Vodička, Praha 1948, 146 und Jung- mann an Marek, 11.  Februar 1828, ebd., 171, über Dobrovský: »Ich dachte schon immer, daß er kein Tscheche  – sondern ein slavisierender Deutsche(r) ist, und ich nehme an zu recht. Ich vermute, er wird immer verbitterter, weil er mit der Zeit immer mehr Gegner vieler seiner Aussagen finden wird.« 46 Gustav T. Legis-Glückselig, Literarische Hof-Anekdoten. Maria Theresia und Rektor Dobner, in: ÖB (1846), 607-608, hier 607, Anm. 1: »Ja, die eine Partei ging so weit, daß sie Dobnern mit einer angeblich uralten Grab- schrift des ihm verhaßten Erzvaters Čech mundtodt zu machen suchte, über welches Falsificat Born’s Abhandlungen einer Privatges. Prag 1775, I, 167 zu vergleichen sind«, und die Glosse: »Also schon damals, und nicht erst seit dem Jahre 1817, fiel dort dasjenige vor, was späterhin Kopitar mit den scharfen Worten: putes in Bohemia grassari pestem ƬƮƧƤрƠư (Evangelia slav., Paris, 1843, viii d. Einl.) gerügt hat […].« 47 František Michálek Bartoš, Rukopisy královédvorský a zelenohorský [Die Königinhofer und die Georgenberger Handschrift], Praha 1946, 78-81.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Title
Aufklärung habsburgisch
Subtitle
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Author
Franz Leander Fillafer
Publisher
Wallstein Verlag
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Size
14.0 x 22.2 cm
Pages
628
Keywords
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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