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Vor 1918
Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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92 Die katholische Aufklärung Wenn itzo jener wegen ketzerischer Lehren verdächtigte Einsiedler aus dem vorigen Jahrhunderte, wovon unser seliger Vater erzehlt hat, wieder aufstünde, und seine alte zerstörte Klause hinter dem Berg Isel an der Sill wieder aufrichten würde, würde der Prelat von Wilten ihn nicht mehr vertreiben dürfen. Wüsste der vor 30 Jah- ren aus gleicher Ursache von Hettingen verjagte Schustermeister die heutigen Umstände, so konnte er, wenn er noch lebt, dahin zurückkehren.72 Katholische Staatsmänner und Gelehrte wie Sperges, Fixlmillner und Procházka protestierten gegen den fürstlichen Zugriff auf kirchliches Vermögen, den sie als Konfiskation verstanden. Sie übten herbe Kri- tik an den Klosteraufhebungen  – im Falle Joseph von Sperges’ mag hier auch die Befürchtung eine Rolle gespielt haben, dass seine Nach- schublinie für Tiroler Kletzenbrot, Quittenkäse und Ochsenzungen aus dem Haller Damenstift gekappt werden könnte73  –, lehnten die Zurückdrängung des Lateinischen im Schulwesen ab und versuchten, die Errichtung des Religionsfonds zu hintertreiben, mittels dessen das Vermögen der aufgehobenen kirchlichen Einrichtungen in den Staatsschatz überführt wurde.74 Dass diese moderaten Reformer der fürstlichen Regie über die Pfarrorganisation zustimmten, entsprang häufig einer nüchternen Erkenntnis: der Einsicht nämlich, dass die auf 72 Sperges an seinen Bruder, Abt Norbert von Wilten, 26. 9. 1781, SAW, Wilten, Bestand Joseph von Spergs, f. 138, Nr. XXXV. 73 Sperges an Laicharding, 18. 10. 1783, BTMF, Nr. 46. 74 »Das Recht des Eigenthums leidet dabey sehr; allein die neuen Publicisten sagen und behaupten, daß die geistlichen und ebenso die übrigen Gemeinden keines haben, und sie mithin nur die Verwaltung verlieren, oder diese nach der neuen dem gemeinen Besten angemessenen Vorschrift einrichten müßten«, Brief Sperges’ an seinen Bruder, Abt Norbert von Wilten, 26. 6. 1782, SAW, f. 165-166, Nr. XXXXII. Das landesfürstliche dominium eminens in bona subditorum, einschließlich der Kirchengüter, lehnt Sperges ab, vgl. Georgine Holzknecht, Ursprung und Herkunft der Reformideen Kaiser Josefs II. auf kirchlichem Gebiete, Innsbruck 1914, 45-50. Nach Einwänden des Fürsten Kaunitz änderte Joseph die Regelung und erklärte das Kirchenvermögen als ein »zur Seelsorge für die Armen bestimmtes Patrimonium«, dessen »ächter Ursprung und Endzweck« eben darin bestehe; die Überschüsse zu verwen- den, sei Recht und Pflicht des Landesfürsten als supremus ecclesiae tutor et canonum custodus, vgl. Rado Kušej, Joseph II. und die äußere Kirchenver- fassung Innerösterreichs. (Bistums-, Pfarr- und Kloster-Regulierung). Ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Staatskirchenrechtes, Stuttgart 1908, 295.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Title
Aufklärung habsburgisch
Subtitle
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Author
Franz Leander Fillafer
Publisher
Wallstein Verlag
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Size
14.0 x 22.2 cm
Pages
628
Keywords
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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