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Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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243Positivität und Restauration und Liberalismus ist diese Verschiebung von höchster Relevanz. Die ursprünglich gegen die kantianische Betonung subjektiver Mündigkeit gerichtete Wissenschaftspolitik des Positiven lieferte eine Schablone für die Objektivierung des Weltgesetzes, die wiederum dem Liberalis- mus Auftrieb verlieh, weil sie die Konstatierbarkeit sich gesetzmäßig vollziehender Fortschritte begründete. Die staatlich geförderte »Positivität« erwies sich als eigentliches Einfallstor für jenen Liberalismus, dem das restaurative Wissensre- gime die Spitze brechen wollte. Auf diese Weise begann das Objekti- vitätsideal als Matrix für die Erfassung einer neuen sozialen Wirklich- keit zu fungieren. Die »Positivität«, die Wahrheitsfragen zugunsten der Anerkennung der Fortschritte der neuesten Naturwissenschaft suspendierte, wurde als immanentistisches Bekenntnis zur Welt und ihrer Veränderung wirksam. Der Wiener Mediziner und Ästhetiker Ernst von Feuchtersleben lobte 1840 die Erkenntnisbemühungen, die »den realistischen Forderungen der Gegenwart« entsprachen und sich auf »empirische, materielle, industrielle Gegenstände« richteten. Das »Weltgesetz«, so Feuchtersleben, sei »gut aufgehoben in den Händen Gottes«, es könne nur »anerkannt« nicht »erkannt« werden.148 Joseph Johann von Littrow beendete 1833 seine Rezension einer populärastronomischen Schrift in den Jahrbüchern mit der Recodie- rung der Sündenfallmetapher, des Naschens vom verbotenen Paradies- apfel. Es sei unabdingbar, so Littrow, die Natur- und Weltgeschichte zu einem »Jedermann zugänglichen Gemeingute« zu machen, »auf daß der Baum der Erkenntniß fröhlich wachsen und gedeihen […] möge«.149 habe, »keineswegs so schroff und gewaltsam« gewesen sei, wie die, »welche nach Friedrich II. Hingang in Preußen unter Friedrich Wilhelm II. und sei- nen Restaurationsgenossen erfolgte«. In Österreich ließ man die Reformen »allmählig einschlafen, ohne daß man mit den Fundamentalgesetzen offen und im Eclat brach«, so lange bis »die Keime einer früheren Saat, wie durch eine allmählig hinweggeschmolzene Winterdecke, ganz unerwartet wieder freudig hervorsproßten«, ebenda, 15. 148 Ernst von Feuchtersleben, [Rez. v.] J. J. Wagner’s kleine Schriften, hg. v. Philipp Ludwig Adam, 2 Tle., Ulm 1839, in: JbL 92 (1840), 65-75, 71, 73. Zu Feuchtersleben (1806-1849), vgl. ÖBL 1815-1950, 1 (Lfg. 4, 1956), 306-307. 149 Joseph Johann von Littrow, [Rez. v.] Sir John F. W. Herschel, A Treatise on Astronomy, London 1833, in: JbL 63 (1833), 84-117, 86. Das Plädoyer für die Muttersprache wird mit der Ablehnung »dogmatischer« Systemphiloso- phie und der Affirmation des »common sense« verkoppelt: Erst die »Kultur der Muttersprache« führe »aus der abgeschlossenen, dumpfen Schule oder einer eigenen Kaste […] zu dem eigentlichen Ziele, der sittlichen und wis- senschaftlichen Erhebung des ganzen Volkes […] in ein heiteres, öffentliches Leben«, ebda., 84-85.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Title
Aufklärung habsburgisch
Subtitle
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Author
Franz Leander Fillafer
Publisher
Wallstein Verlag
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Size
14.0 x 22.2 cm
Pages
628
Keywords
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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