Page - 19 - in Joseph Lanner - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Image of the Page - 19 -
Text of the Page - 19 -
19
Reisen
Dass Pesth in nichts anderen europäischen Städten nachstand, wird besonders betont: „Schon der Anblick
der reizenden Damen …, die mit den kostbarsten und modernsten Anzügen (die kaum 14 Tage früher
eben so in Paris getragen wurden) ihre schönen Körper umhĂĽllenÂ
…“25 Die Tanzbegeisterung war in Pesth
so groß wie in Wien: „ … und … wenn sich die junge schöne Welt Paar und Paar nach dem bezaubern-
den Takte eines Straußschen Hexenwalzers dahin tummelt.“26 Außer dem Casino wird namentlich der
alte Saal „zu den sieben Churfürsten“ erwähnt. Wie überall, so feierten in Pesth bestimmte Gruppen und
Vereine ihre eigenen Bälle, genannt werden der „Mediziner-Ball“, der „Juristen-Ball“ und verschiedene
„Schützen-Bälle“.27 Der Zulauf war enorm, bis zu 1600 Personen kamen zu so einem Ball. Privatpersonen
veranstalteten Hausbälle, die allerdings vom Adel und den höheren Ständen gemieden wurden, „Â
… [sie]
sind größtentheils für den Plebs bestimmt.“28 Amüsiert resümierte der Korrespondent: „Der Bonton ist
hier, gleich den ersten Hauptstädten, einheimisch geworden.“29
Tanzmusiker waren gut beschäftigt („Unsere Geiger und Pfeifer haben bey solchen bewandten Umstän-
den goldene Zeiten.“30), der Korrespondent der Theaterzeitung gab sich allerdings kritisch und Wien-
patriotisch: „Diese sind zwar kein Strauß, kein Morelly, kein Lanner, dafür wissen sie aber deren neueste
Kompositionen recht herzerhebend herabzuleyern, und das ist genug, um die Füßchen unserer Schönen,
und die Pedes unserer Stutzer in hüpfende und schleifende Bewegung zu setzen.“31
Anfang November 1834, am Ende der Sommersaison in Wien, wenn es fĂĽr die Freiluftveranstaltungen im
Paradiesgärtchen (ein Teil des Volksgartens in Wien, zu den verschiedenen Bezeichnungen der Tanzlokale
siehe unten) bereits zu kalt war, die Wintersaison in Wien aber noch nicht so recht begonnen hatte, reiste
Lanner erstmals nach Pesth. Wie schon in Baden, so folgte Lanner auch hier seinem ungleich wendigeren
und abenteuerlustigeren Kompagnon aus alten Tagen, StrauĂź. Dieser war 1833 erstmals nach Pesth gereist,
sein Erfolg machte dem Veranstalter Fischer, Pächter der Redouten-Säle in Ofen und Pesth, Mut, nun den
zweiten groĂźen Tanzkomponisten Wiens, Lanner, einzuladen.
Im knappen Zeitraum von kaum zwei Wochen absolvierten Lanner und sein Orchester eine beachtliche
Zahl an Auftritten. Neben der Mitwirkung an drei Bällen gab Lanner zwei „Reunionen“, je eine in Pesth
und Ofen, und spielte einmal im Casino vor auserwähltem Publikum. Lanner präsentierte sich somit
nicht nur als Komponist von Tanzmusik, sondern auch als Dirigent von Konzerten. Sein „Pesther Wal-
zer“ erzielte stürmischen Beifall, die Dedikation an die „edle ungarische Nation“ wurde mit einem nicht
näher bezeichneten wertvollen Geschenk belohnt. Mehr als das dürfte die Begeisterung des Publikums für
Lanner gezählt haben, war es doch für ihn die Bestätigung, dass er sich auch außerhalb der Residenzstadt
Wien, in welcher er sich ein Stammpublikum erarbeitet hatte, und neben seinem ebenbĂĽrtigen Rivalen
StrauĂź, behaupten konnte. Mitte November war Lanner bereits wieder zurĂĽck in Wien und stellte seinen
„Pesther Walzer“ nunmehr auch dem Wiener Publikum vor.
Offensichtlich hatten Lanners Auftritte so sehr die ungarische Bevölkerung begeistert, dass Lanner sofort
zu einem weiteren Aufenthalt eingeladen wurde. Schon am 22. Januar 1835, noch mitten in der Wiener
Faschingssaison reiste er erneut nach Pesth ab, um dort an Bällen mitzuwirken. Während Strauß in Wien
blieb und im Sperl, im Dommayer und im Redoutensaal allabendlich aufspielte, konnte Lanner Erfolge
in Pesth feiern, über die auch in Wien berichtet wurde.32 Auf den „Pesther Walzer“ folgte „Mein Abschied
von Pesth“, nach seiner Rückkehr stellte Lanner diese Walzerkette sofort den Wienern vor. „In Wien ange-
kommen, spielte er im Volksgarten unermĂĽdet nebst andern Walzern und Compositionen fĂĽnf Mal diese
25 Theaterzeitung, 5. 3. 1832.
26 Ebd.
27 Ebd.
28 Ebd.
29 Ebd.
30 Ebd.
31 Ebd.
32 Theaterzeitung 5. 2. 1835.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang