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Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester
Beliebt war die Titel-Wahl, bei welcher das Publikum den Namen eines neuen Walzers bestimmen durf-
te. Nach Abgabe der Vorschläge wurde der Titel per Los bestimmt, als Geschenk erhielt der Namensge-
ber Werke des Komponisten: „Das Ballfest, welches vorgestern, den 18. d. M. unter der Benennung ‚die
Titel-Wahl‘, im Saale zum römischen Kaiser zur Benefize des Capellmeisters Lanner statt fand, fiel ebenso
brillant aus, als es zahlreich besucht war … Um Mitternacht producirte der unerschöpfliche Composi-
teur seine neuesten Walzer … Das Los … entschied für einen eben so passenden, als sinnigen Titel …
die neuen Walzer wurden ‚Blumen der Lust‘ genannt.“ Der „Taufpathe … erhielt … Lanners sämtliche
Compositionen, in einer Prachtausgabe und geschmackvoll eingebunden, überreicht … das Buch enthielt
70 Compositionen.“130
Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester
Dass Lanners Werke fast ausschließlich in Bearbeitungen für Klavier, allenfalls für kleine Besetzungen
erhältlich sind, ist skandalös genug, trägt darüber hinaus zu einem Gutteil Schuld daran, dass der Or-
chesterleiter und –komponist Lanner bis heute nicht hinreichend gewürdigt wird. Sein Schaffen ist in
erster Linie in den zahllosen Klavierausgaben dokumentiert, also ausgerechnet in Bearbeitungen für jenes
Instrument, das er selber nicht gespielt und für welches er nie komponiert hatte.
Vazierende Tanzmusiker traten in Kleinstbesetzungen auf, häufig solistisch131, manchmal als Duo oder
Trio bei wechselnder Besetzung. Fast immer war eine Geige dabei, häufig unterstützt durch einen Bass,
der den für den Tanz elementaren Rhythmus schrammte. In kleineren Räumen wären größere Besetzun-
gen weder möglich noch (aus ökonomischen Gründen) erwünscht gewesen. Ein Tanzveranstalter musste
für die Musik zahlen, Abrechnungen etwa für den Apollosaal belegen, dass die Tanzmusik einen der
höchsten Ausgabeposten darstellte132.
Die zahllosen Ausgaben von Ländlern für Sologeige belegen, dass Tanzmusik nicht in Ensembles ge-
spielt werden musste. Hausbälle wurden von Klavierspielern bestritten, mancher Pianist diente sich via
Inserat als musikalischer Begleiter an. Andererseits konnte die Größe der aufgebotenen Tanzkapelle als
werbewirksames Zugpferd in der Ballanzeige dienen, wie die diversen Annoncen „mit verstärktem Or-
chester-Personale“133 beweisen. In der von Johann Strauß Vater besorgten Stimmenabschrift zu op. 24
(„Eröffnungs-Walzer mit der wilden Jagd-Coda“) vermerkt dieser extra: „für ein grosses Orchester“. Ähn-
liche Bezeichnungen (z. B. „für ein ganzes Orchester“) finden sich laufend. Lanners Manuskripte bzw.
Stimmenabschriften zeigen eine schrittweise Erweiterung seines Ensembles, andererseits wurde Johann
Strauß Vater früh, 1827 (also in der Zeit seiner allerersten eigenständigen Schritte als Orchesterleiter) in
den „Zwei Tauben“ mit 36 Orchestermitgliedern angekündigt134.
Unterschiedliche Aspekte müssen auseinander gehalten werden: eine Komposition stellte eine „idea-
le“ Fassung dar, welche den Aufführungsumständen angepasst werden konnte. Ein Gartenfest, welches
bei Schlechtwetter kurzfristig in geschlossene Räume verlegt wurde, erforderte nur mehr ein kleines
Ensem ble. Der große repräsentative Ball oder ein Konzert in einem Gasthausgarten hingegen ließen eine
größere Formation zum Einsatz kommen. Komponist zu sein hieß, zugleich flexibler Arrangeur sein zu
müssen, jedes Werk musste in seiner Konzeption die Möglichkeit der Kleinstbesetzung zulassen. Johann
Strauß Vaters Bratschenstimmen zu Lanners Frühwerken dokumentieren diese Adaptionen: ein Klarinet-
130 Theaterzeitung 20. 2. 1833.
131 „Bey dem ärmlichen Klange der Drehorgel tummelte sich rüstig paarweise alles im Tanze“, Theaterzeitung 14. 8. 1832.
132 Ein Beispiel für einen Ball bringt Hanson S. 185, die Datumsangabe macht allerdings stutzig, da Lanner 1824 mit hoher
Wahrscheinlichkeit noch nicht Eigenveranstalter war.
133 Diese und ähnliche Formulierungen finden sich in zahllosen Zeitungsanzeigen.
134 Der Wanderer, 4. 9. 1827, Ankündigung für den 5. 9., u. a. mit diversen Ouvertüren.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der Abkürzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- Flüchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang