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Joseph Lanner – Leben und Werk
Den Eintritt des Finales kennzeichnet in der Regel deutlich vom vorangehenden Walzer abgesetztes
Themenmaterial. Aber auch Verschleierung bietet Lanner: In op. 92, „Pesther-Walzer“ ist Walzer Nr. 5
scheinbar schon Finalebeginn, ehe die eigentliche Coda einsetzt. In den letzten Takten gestaltet Lanner
„Abschied“: Lanner nimmt Abschied von Pesth (in op. 95 wird Abschied Programm).
Die Schreibweise wechselt mit den großen Walzern: was zunächst Coda war, wird nun Finale genannt, ein
Hinweis auf Umfang und Gewicht des Schließens. Regelmäßig werden zwei der vorangegangenen Wal-
zerteile (gerne auch ein zweiter Teil) vollständig zitiert, in der Partitur lediglich mit dem Hinweis „von
Walzer Nr.Â
… Takte hierherein“ (siehe Notation), wobei Lanner kontrastierende (z. B. einen melodischen
und einen rhythmisch betonten) Walzer auswählt, und den ersten Walzer der Walzerkette (der immer
als der fĂĽr das Werk signifikante galt) als zweiten und damit letzten innerhalb des Finales bringt. Diese
Finalgestaltung wird fĂĽr die nachfolgende Generation um Johann StrauĂź Sohn zum Standardverfahren,
das verfeinert, aber nicht mehr entscheidend verändert wurde. Das Finale kann bis zu einem Drittel der
gesamten Walzerpartie ausmachen.
Op. 94, „Dampf-Walzer“ bringt im Finale erneut einen Galopp (Dampf-Galopp), anschließend wird die In-
troduktion zitiert (also Bogenform, erstmals eine geschlossene Gestaltung, welche die Werkeinheit herstellt).
Mit der Verlängerung des Finales geht die Verringerung der Walzeranzahl Hand in Hand. Die großen
Walzerketten haben in der Regel nur mehr fĂĽnf anstatt wie frĂĽher sechs Einzelwalzer. Durch das Zitieren
ganzer Abschnitte spart Lanner sich einerseits die Erfindung immer neuer Themen, bietet den Tanzenden
aber die erwartete Länge einer Walzertour. Interpreten nutzen die Wiederholung zur Variation: aus dem
Walzer wird dessen Reminiszenz. Wie die Introduktion, so zielen die späten Finali auf ein aufmerksam
zuhörendes Konzertpublikum. Der Abschluss des Walzers beendet nicht nur ein einzelnes Werk unter
vielen, sondern dient auch zu effektvollem Abrunden von Konzertteilen.
Finale kann in Galoppen und anderen zweiteiligen Tänzen eine weitere Bedeutung haben: dann bezeich-
net es einfach den dacapo-Abschnitt, also die in der Regel wörtliche Wiederholung des ersten Teiles nach
dem Trio, wobei lediglich die Schlusspartie umgearbeitet werden musste.
Notenmaterialien
Skizzen
Skizzen sind fĂĽr Herausgeber wie Historiker unverzichtbare Hilfen bei der Bewertung eines Werkes. Die
zahllosen SkizzenbĂĽcher Beethovens erschlieĂźen uns das Bild eines Komponisten, der jahrelang Ideen mit
sich trug, ehe er sie umsetzte, der oft verzweifelt um die Gestaltung einzelner Passagen wie ganzer Sätze
rang, fĂĽr den Komponieren im wahrsten Sinn des Wortes Arbeit war.
Für Lanner müssen wir – wie so oft – resignierend festhalten, dass wir keinerlei Aussage über den Schaf-
fensvorgang, über sein „Komponieren“ machen können. Linkes232 Interpretationen des einzigen von
Lanner erhaltenen Skizzenblattes (zum Walzer „Die Romantiker“, siehe Werkverzeichnis) sind zwar in
sich schlĂĽssig, aber stark verallgemeinernd, wo die Quellenlage nicht einmal vage Vermutungen zulassen
wĂĽrde. Das vom Verleger Haslinger in Lanners Nachlass aufgefundene Skizzenbuch233, das Basis der sechs
Nachlass-Hefte ohne Opuszahl wurde, liegt im Original nicht vor. Es lässt sich vermuten, dass Lanner wie
viele andere Komponisten auch Einfälle notierte, um einen steten Vorrat an Melodien zur Verfügung zu
haben für den Fall, dass die Inspirationsquelle einmal nicht so kräftig sprudeln wollte.
232 Norbert Linke, a.a.O. S. 71ff.
233 Theaterzeitung 28. u. 29. 6. 1843.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang