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Joseph Lanner – Leben und Werk
die Größe der Werke. Lanners Walzer schlugen auf Anhieb ein, wurden bei der Erstaufführung mehrfach
wiederholt. Seine Musiker dürften Stilsicherheit mit Flexibilität, professionelle Disziplin mit wienerischer
Spielfreudigkeit verbunden haben, die den Erfolg der Novitäten garantierten.
Bühne – Podium – Balkon – Pavillon
Unsere Konzertsäle sind größtenteils nach dem romantischen Klangideal gebaut: schuhschachtelförmig,
mit einem Podium an der Stirnseite. Akustik ist Glückssache, lässt sich annäherungsweise berechnen,
erst der fertige Zustand offenbart Gelingen oder Katastrophe. Ansatzweise wurde im 20. Jahrhundert
versucht, abweichend von der Standardform zu planen, kreisförmige Hallen entstanden, punktuell mit
Publikumsreihen auch hinter dem Orchesterpodium. Räume, die ursprünglich anderen Zwecken gewid-
met waren, wurden für Konzerte entdeckt, manche erstaunen durch ungeahnte akustische Qualitäten.
Die Aufstellung eines Ensembles oder Orchesters in einem Tanzsaal, einem Konzertsaal oder bei Freiluft-
veranstaltungen bedarf nicht minder sorgfältiger Planung wie der eigentliche Programmablauf. Bei Tanz-
sälen wird ein festes Podium, gerne erhöht, oft auf einem Balkon hoch über der Tanzfläche verwendet.
Abbildungen zeigen unterschiedlichste Konstruktionen, immer mit dem Stehgeiger in der Mitte, dessen
Blick über die Tanzfläche schweift, während die Musiker angestrengt in ihre Noten starren. Gleich der
Sakralmusik auf der Orgelempore der Kirche, wurde das Tanzorchester ĂĽber das plebejische Geschehen
erhöht, magisch drang der Klang von der Höhe. Die elysischen Gefühle wurden nicht nur akustisch
erzeugt, der Dirigent gleich einem griechischen Gott der irdischen Sphäre entrückt. Das entzückte Pu-
blikum hörte Lanner nicht bloß, nein, man sah ihn, sah sein magisches Geigenspiel. Lanners Wirkung
beruhte auf seiner Ausstrahlung, ĂĽber die weiter unten noch zu sprechen sein wird.
War das Orchester zu weit vom Tanzparkett entfernt, wurde die Musik vom Lärmen der Gäste übertönt.
Diesem Akustikproblem suchte man z. B. beim Umbau des Elysiums Herr zu werden: „Das Orchester ist
nur noch um ein paar Stufen ĂĽber das Parterre erhoben, wobei sich der Klang der Musik, nicht mehr wie
früher verschlagen dürfte.“141
Bei Konzerten im Freien wurde ein kleiner Pavillon aufgestellt. Einerseits waren die Musiker vor dem
Unbill des Wetters geschĂĽtzt, der Pavillon bot auch einen optischen Anziehungspunkt. Potpourris lebten
wiederum von z. Tl. bizarren Klangeffekten, Teile des Orchesters wurden in der gesamten Gartenanlage
verteilt, mit Signalrufen von allen Seiten, Kanonenschüssen und Schlachtenlärm entwarf Lanner ein
Klang-Raum-Konzept, das verlässlich für bewundernde Ovationen sorgte.
Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion
„Dort [gemeint ist: in Wien, Anm. d. V.] gefallen hieß sich als Meister bewahren“, resümierte Louis Spohr
1812142 und brachte bĂĽndig zum Ausdruck, was Komponisten aller Zeiten empfanden: Wien war das Zen-
trum der Musik, wer etwas gelten wollte, musste seine Leistung in Wien erbringen und dort anerkannt
werden. Nicht von ungefähr trachteten Komponisten wie Solisten, sich in Wien zu produzieren.
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte einen Wandel im Konzertwesen weg von Privatinitiativen und
der Vorherrschaft des Hofes hin zur bĂĽrgerlichen Konzertkultur. Mozart und Beethoven mussten sich fĂĽr
ihre Akademien mĂĽhselig Saal und Musiker zusammensuchen, ihre Konzerte auf eigenes Risiko veranstalten,
was besonders im Fall Beethovens nicht ohne heftige Auseinandersetzungen mit seinen Verhandlungspart-
141 Theaterzeitung 26. 10. 1833.
142 Louis Spohr, Lebenserinnerungen, zitiert nach A. Hanson, Die zensurierte Muse, a.a.O. S. 100.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang