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Joseph Lanner – Leben und Werk
ae) Augarten: Ähnlich dem Volksgarten wurde der Augarten für vielfältige Veranstaltungen genutzt. Lan-
ners erster Auftritt datiert vom 24. November 1835, als er die Musik für Rabels „Große Assemblée
dansante in den Sälen des k.k. Augartens“ leitete116. Ab 1836 veranstaltete Lanner dort Morgenunter-
haltungen (erstmals anlässlich der Saisoneröffnung am 2. Mai)117.
Die obige Aufstellung lässt erahnen, wie umfangreich Lanners öffentliches Wirken in Wien war. Man-
chen Lokalen hielt er jahrelang die Treue, andere engagierten den beliebten Musikdirektor lediglich fĂĽr
einen besonderen Anlass (meist eine Saaleröffnung oder Wiedereröffnung nach einer Renovierung).
Lanner wurde entweder fĂĽr einen Einzelauftritt gebucht oder fĂĽr eine Saison, welche die Faschingszeit
oder die Sommerveranstaltungen umfasste, persönliche Freundschaften zu Lokalinhabern (etwa zu Hartl
am Beginn seiner Laufbahn oder später zu August Corti im Volksgarten) entstanden, Konkurrenz und
Geschäftsneid gehörten aber ebenso zu den unangenehmen Begleiterscheinungen eines auf sich alleine
gestellten und fĂĽr seine Musiker verantwortlichen Ensembleleiters. Im Rahmen einer AuffĂĽhrungsserie
wurden Benefize für Lanner eingeplant (d.h. der Erlös des Abends kam ihm zugute, eine Praxis, welche
z.B. auch auf Theatern gang und gäbe war), selten genug trat Lanner selbst als Veranstalter auf.
In den Ankündigungen wird stets das Ambiente eines Lokals angepriesen, über einzelne berühmte Säle er-
schienen ganze Artikel. Lanners Auftritte waren eingebettet in ein Gesamtkunstwerk, wie wir es am ehes-
ten von barocken MusiktheaterauffĂĽhrungen erwarten wĂĽrden. Es scheint gerechtfertigt, diesen Details,
die fĂĽr das Gelingen einer Veranstaltung entscheidend sein konnten, ein eigenes Unterkapitel zu widmen.
Rahmen – Requisite – Dekoration
Wer das Biedermeier als ein Zeitalter der GenĂĽgsamkeit, der Bescheidenheit bar jeglichen Luxus und
Sinnlichkeit zeichnet, verkennt diese Epoche grĂĽndlich. Die rauschenden Feste, die Kaiserhaus und Adel
bis zum Wiener Kongress abhielten, gingen zurĂĽck, dafĂĽr feierte das aufkommende BĂĽrgertum seine eige-
nen Feste, und die sollten an Glanz den legendären Hofbällen in nichts nachstehen. Selbst die sprichwört-
lichen „einfachen Leute“ wollten sich nicht nur billig amüsieren, für den Preis einer Eintrittskarte wurde
eine entsprechende Gegenleistung erwartet. Die Aufwendungen sowohl der Ballbesucher (Abendrobe,
Friseur etc.) als auch der Gastgeber (Speisen und Getränke, Kerzen, Ballmusik etc.) waren gewaltig. Die
Ballankündigungen, aber auch die Berichte über verschiedene „Abendunterhaltungen“ (also Konzerte,
etwa im Volksgarten) zeigen, dass es fĂĽr den Veranstalter nicht ausreichte, Musik zum Tanz und ein be-
scheidenes Buffet anzubieten, im Gegenteil: jeder Unternehmer musste trachten, den Rahmen besonders
prunkvoll zu gestalten. Regelmäßig erfolgte der Hinweis, dass „für ausreichend Speis und Trank gesorgt
sey“, dass „die Bedienung gut, pünktlich und reinlich sey“, und um den Saal oder das Konzert voll zu be-
kommen, war der Hinweis unerlässlich, dass Komponisten wie Strauß oder Lanner „die Musik persönlich
leiten würden.“118 Lanner wusste um seinen Wert, wusste aber auch, dass es nicht schaden konnte, sich
dem Publikum gegenüber dankbar zu geben. In einer mit „Dank und Einladung“119 überschriebenen An-
zeige, von Lanner persönlich unterzeichnet, spricht er seinen „warmen Dank“ aus, den er Publikum wie
hohem Adel gegenüber empfindet, vergisst nicht, seine wichtigsten Auftraggeber („ … insbesondere …
den Hörern der Rechte und akademischen bildenden KĂĽnstenÂ
…“) seine „tiefgefühlte Erkenntlichkeit an
den Tag zu legen“, worauf er eine Auflistung der „Unterhaltungen“ in der laufenden Sommersaison gibt,
nach Wochentagen geordnet, bei denen „er persönlich mit seinem Orchester“ mitwirken werde.
In den Jahren nach dem Wiener Kongress wurden viele Gaststätten erweitert, eigene Tanzsäle und kleine-
re Salons angebaut. Bei Speise und Trank konnte sich der Gastgeber besonders profilieren. Die Gaststätte
zur Goldenen Birne, Fixpunkt in Lanners langer Laufbahn, wurde von Johann Stipperger gefĂĽhrt, dessen
116 „Wiener Zeitung“ 17. 11. 1835.
117 „Wiener Zeitung“ 27. 4. 1836.
118 Solche und ähnliche Formulierungen finden sich in praktisch allen Ball- und Konzertankündigungen dieser Zeit, siehe die
Anzeigen in der Wiener Zeitung und die Berichte in der Theaterzeitung.
119 Theaterzeitung 22. 5. 1833, auch fĂĽr die folgenden Zitate des Absatzes.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang