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Joseph Lanner – Leben und Werk
Nicht nur die große Kulisse im Gastgarten vermochte zu beeindrucken, auch in Sälen konnte man mit
entsprechendem Aufwand das Publikum begeistern. In den unterirdischen Räumen des „Elysiums“ wurde
das Kirchweihfest in der Brigittenau im Kleinen nachgestellt: „Das bunte Leben und Treiben, wie wir
es oft in seiner großartigen Komik … an unseren Augen vorüberrauschen sahen, war darin im Kleinen
nachgebildet, und das mit überraschender Originalität. Natürliche Tannenbäumchen waren in allen Spei-
sezimmern und Verbindungsgängen angebracht, und zwischen denselben kleine Gasthäuser, Harfenisten,
Policinellbuden, Wägemaschinen, Oebstlerinnen, Salamimänner, Drehorgeln, Dudelsackpfeifer, Wurst-
krämer u. dgl. mehr … der Zudrang des Publikum [sic] war so groß, dass man es vor dieser beängstigen-
den Hitze kaum auszuhalten vermochte.“126
Der mit Abstand prächtigste Saal war der Apollosaal in der Vorstadt Schottenfeld. Unter Kaiser JosephÂ
II.
erlebte dieser Stadtteil seinen Aufschwung, er galt am Beginn des 19. Jahrhunderts als der reichste. Der
Apollosaal wurde 1808 vom Mechaniker Sigmund Wolfssohn (1767–1852) gegründet, er besaß europäi-
schen Ruf. Neben dem Conversationssaal, der durch 250 Wachskerzen erleuchtet war, beeindruckte vor
allem der Tanzsaal, der 8000 Besuchern Platz bot. An der Wand waren Spiegel, Statuen und Sitzgelegen-
heit angebracht, der Rand des Saales war dem Promenieren und der MuĂźe vorbehalten. Die Mitte war
fĂĽr den Tanz bestimmt. Am Ende des Saales thronte das Orchester auf einem aus wirklichen Steinen
gebildeten Fels, die Kapelle bestand aus bis zu 60 Musikern. Auf der Spitze dieses Felsens war eine Statue
von Apollo, der dem Saal den Namen gegeben hatte, aufgerichtet, am FuĂź befanden sich drei Grotten mit
Springbrunnen. Magische Beleuchtung versetzte den Besucher in eine feierliche Stimmung. Hinter den
Grotten befand sich der Circus, dessen Kuppel von 40 Marmorsäulen getragen war. In der Mitte stand
eine Reiterstatue Kaiser Josephs II., rund herum waren die Speisetische aufgestellt. Der Garten wurde
von einem Gartensaal, einer Säulenhalle (hier konnte ebenfalls gegessen werden) und einer Galerie um-
schlossen. Die einzelnen Räume waren reich dekoriert, mit allerlei Requisiten wie Engeln mit raffiniert
eingebauter Beleuchtung und mythologischen Figuren127.
Als Lanner hier spielte, hatte der Apollosaal seine beste Zeit bereits hinter sich. 1819 verkaufte Wolfs-
sohn den Saal, in den Folgejahren versuchten wechselnde Besitzer ihr GlĂĽck. 1839 wurde er endgĂĽltig
als VergnĂĽgungsetablissement geschlossen und in eine Kerzenfabrik umgewandelt, welche bis 1876
bestand.
Einzelne Ballveranstaltungen wurden unter ein Motto gestellt, nach dem die gesamte Dekoration, oft
aber auch die Bewirtung und manchmal sogar die Musik ausgerichtet wurden. „Florafeste“ begrüßten die
Blumenpracht des Frühlings, „Floras Abschied“ hingegen deutete auf den nahenden Herbst hin. Unter
dem verheißungsvollen Titel „Die Pracht des Orients“ veranstaltete Lanner am 8. Juli 1839 in der Golde-
nen Birn ein Fest, bei dem die gesamte Dekoration entsprechend gestaltet war und Lanner seinen Walzer
„Die Osmanen“, welchen er dem türkischen Botschafter gewidmet hatte, uraufführte128.
Freiluftveranstaltungen etwa im Volksgarten konnten ebenso dekoriert werden. FĂĽr die AuffĂĽhrung sei-
nes Quodlibets „Die Zimmerreise“ borgte Lanner sich das Zelt aus der Theaterproduktion von „König
Ottokar“ aus, welches am Ende des Potpourris sich verwandelte und zur Musik der Kaiserhymne „ …
das Portrait unsers hochverehrten Landesvaters bey herrlicher Beleuchtung“ zeigte.129 Corti sorgte immer
fĂĽr einen besonders prachtvollen Rahmen, Dekorationen und Beleuchtung wurden auf das gebotene
Potpourri abgestimmt, Feuerwerke bildeten den Höhepunkt.
Ballspenden waren üblich, gerne wurden sie als Preise während eines Cotillons verteilt. Weitere Ge-
schenke waren Klaviererstausgaben von Walzern, die durch ihre sorgfältige Gestaltung des Titelblattes
besonders gesucht waren.
126 Theaterzeitung 11. 3. 1833.
127 Theaterzeitung 1. 2. 1839.
128 Theaterzeitung 10. 7. 1839.
129 Theaterzeitung 20. 9. 1831.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang