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Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion
nern abging und manches Vorhaben an den Rand des Scheiterns brachte. FĂĽr Musiker waren diese Konzerte
oft die einzige Einnahmequelle, hinzu kamen Benefizveranstaltungen zugunsten von Wohltätigkeitsvereinen.
Die Programme waren bunt gemischt, ein festes Repertoire gab es zur Jahrhundertwende noch nicht. En-
semble- oder Solostücke alternierten mit ausgewählten Sinfoniesätzen, ein einzelnes Lied konnte inmitten
einer Kantate stehen, Solisten, Chor und Orchester wechselten einander ab. Erst nach und nach etablierte
sich so etwas wie ein geregeltes Konzertwesen, wozu die GrĂĽndung eigener Vereine Wesentliches beitrug.
Die Ideale der klassischen Musik hochzuhalten, war Ziel der Gesellschaft der Musikfreunde sowie der
Concert Spirituels. Die Gesellschaft der Musikfreunde, 1812 gegründet, hatte sich die „Emporbringung
der Musik in allen Zweigen“143 zum Ziel gesetzt, neben regelmäßigen Konzerten war ein Konservatorium
zur Nachwuchspflege eingerichtet worden. Die Konzerte fanden meistens in den Redoutensälen statt,
AuffĂĽhrungen klassischer Sinfonien insbesondere Beethovens bildeten einen Hauptschwerpunkt. 1819
hatte Franz Xaver Gebauer die Concerts Spirituels nach Pariser Vorbild gegrĂĽndet, sie widmeten sich
ebenfalls klassischer Musik, ihre Konzerte fanden als Serie meistens nach der Carnevalszeit (Ende Februar
bis April) statt.
Gemeinsam ist allen Konzerten, dass regelmäßige Proben eine Ausnahme darstellten und die Ausübenden
häufig Amateure waren. Für Akademien suchten Komponisten die Mitglieder der Hofoper zu gewinnen, ins-
gesamt war die Zahl professioneller Musiker in Wien aber stark begrenzt, was die mangelnde Qualität vieler
Darbietungen erklärt. Nicolais Gründung der Wiener Philharmoniker zielte auf das Abstellen gerade dieses
Umstandes hin, und in den Rezensionen seiner ersten Konzerte spiegelt sich das ungläubige Staunen der
Zuhörer, dass Aufführungen, die alles bisher Gehörte derart überragten, überhaupt denkbar waren, wider.
Man soll aus der Nachschau die Bemühungen der zahllosen Dilettantenvereine nicht gering schätzen,
ohne sie wäre vieles gar nicht möglich gewesen. Mit dem Anstieg der Anforderungen seitens der Kompo-
sitionen klaffte Anspruch und Wiedergabe immer mehr auseinander, andererseits dĂĽrfte die sich entwi-
ckelnde Orchesterkultur Komponisten erst Mut zu ihren immer komplexeren Partituren gemacht haben.
Wer Strauß und Lanner abschätzig als mäßige Tanzmusikanten bezeichnet, übersieht, dass gerade diese
beiden es waren, die am Aufschwung der Orchesterkultur in Wien erheblichen Anteil hatten. Erst in den
letzten Jahren rückt dieser Bereich ihres Wirkens verstärkt ins Bewusstsein der Musikhistoriker. Zwar
war die Zahl der reinen Ballveranstaltungen, bei denen StrauĂź und Lanner als Leiter der Tanzmusik
fungierten, erheblich. Doch außerhalb der Carnevalszeit – und das waren immerhin rund zehn Monate
im Jahr! – hatte sich ein reges Konzertleben etabliert, das unter den verschiedensten Namen Auftritte der
Lannerkapelle bot, mit einem reichhaltigen Repertoire weit ĂĽber ihre ureigensten Tanzkompositionen
hinaus. 1826 bereits, also nur ein Jahr nach seinem ersten Auftreten im „Schwarzen Bock“ veranstaltete
Lanner seine ersten Reunionen. Jeden Dienstag im Gartensalon der Witwe Finger in Oberdöbling spielte
Lanner Konzerte, das Publikum konnte eine Serie quasi subskribieren144.
Die Namen wechselten, gaben Hinweis auf Tageszeit und Rahmen: nachmittags wurde „Conversation“
geboten, wo eine Kapelle beliebte Stücke zu Kaffee und Kuchen spielte, es folgten „Abendunterhaltun-
gen“ mit ähnlicher Zielsetzung, auf ein „Piquenique“ im Freien folgte eine „Réunion“ oder „Assemblée“,
die vornehmen Titel sollten nicht nur die Gehobenheit des Veranstaltungsortes wie des Publikums an-
deuten, die damit angekündigten Veranstaltungen grenzten sich tatsächlich ab von einfacher Hinter-
grundmusik während Speis, Trank und billiger Konversation. Strauß und Lanner gelang es, ein völlig
neues Konzertereignis zu etablieren: gehobene Unterhaltungsmusik, eine Mischung von populären aber
anspruchsvollen Konzertstücken des klassischen Repertoires gemischt mit ihren eigenen Tänzen, die ne-
ben Rossini, Donizetti und zuweilen sogar Beethoven nicht ĂĽbel Figur machten.
143 A. Hanson, a.a.O. S. 112.
144 Theaterzeitung 27. 6. 1826.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang