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Joseph Lanner â Leben und Werk
Partituren waren damals noch völlig unĂŒblich. Dass Lanner ausschlieĂlich auf diese KlavierauszĂŒge an-
gewiesen war, kann durch die Bearbeitung des Rossinischen Finales aus âLe siĂšge de Corinthâ in seinem
âZweiten beliebten Wiener Quodlibetâ op. 22 (siehe dort) ausgeschlossen werden: die wortwörtliche
Ăbereinstimmung der Stimmen hĂ€tte sich aus einem Klavierauszug nie extrahieren lassen.
Auch wenn diese Bearbeitungen groĂteils nicht veröffentlicht wurden, fĂŒr das Repertoire der Lannerschen
Kapelle waren sie zusammen mit den Quodlibets ein unersetzlicher Bestandteil der diversen âAbendun-
terhaltungenâ oder âRĂ©unionenâ, die neben den bekannten Walzern gleichberechtigt zu stehen kamen,
wobei die Reduktion der im Original meist gröĂeren Orchesterbesetzung den Werken nichts an Klang-
wirkung nimmt.
LĂ€ndler â Walzer
âUnter Tanzen aber verstehâ ich Walzen;
alles andere heiĂt nicht tanzen,
das heiĂt bloĂ mit den FĂŒĂen lallen,
den Tanz buchstabieren.â154
Jahrzehntelang wurden Komponisten wie Johann Strauà Sohn in erster Linie als Schöpfer von Walzern
wahrgenommen (die nebenbei Operetten schrieb sowie Polkas etc.). Offenbach bildete das genaue Ge-
genteil: in unserem Bewusstsein lebt er als Erfinder der französischen Operette, seinen âAbendblĂ€tter-
Walzerâ kennen allenfalls Spezialisten.
Die meisten Musikwissenschaftler sehen die Elterngeneration â Lanner und StrauĂ Vater â am Ăbergang
vom LĂ€ndler zum Walzer. Eine solche Generalisierung wird beiden nicht gerecht. Zum einen lassen sich
Lanners TĂ€nze in den allerseltensten FĂ€llen eindeutig als âLĂ€ndlerâ oder âWalzerâ festlegen, zum anderen
wird eine historische Abfolge suggeriert, die es in der ersten HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts schlicht nicht
gegeben hat. Alfred Orel sieht in Lanners Schaffen â ⊠die Entwicklung vom Typus des Deutschen oder
LĂ€ndlers zum Alt-Wiener Walzer der âRomantikerâ oder der âSchönbrunnerââ155. Abgesehen von dem un-
scharfen Begriff âAlt-Wiener Walzerâ, der pejorative ZĂŒge in sich trĂ€gt und einmal mehr das Klischee der
Harmlosigkeit des Biedermeiers aufwÀrmt, ignoriert dieser Befund die vielfÀltigen Parallelentwicklungen,
die kennzeichnend fĂŒr Lanner sind.
Einige wenige seien â in ihren GrundzĂŒgen â hier skizziert:
a) Lanner schrieb LĂ€ndler sein ganzes Leben lang. Von seinem op. 1 âNeue Wiener LĂ€ndler mit Coda in
Gâ, 1825 bei Diabelli erschienen, bis zu ââs Hoamweh, Original Steyrer LĂ€ndlerâ op. 202, im Oktober
1842 vollendet und im MÀrz 1843, also nur wenige Tage vor seinem Tod bei Haslinger veröffentlicht,
hielt Lanner an dieser Form fest. Nichts deutet darauf hin, dass er den LĂ€ndler fĂŒr ĂŒberholt hielt.
Da Lanner ausschlieĂlich komponierte, was auf dem Tanzboden verlangt wurde, kann auch das Ver-
schwinden des LĂ€ndlers aus der Tanzkultur nicht konstatiert werden. Im Gegenteil: mannigfache
Zeitungsberichte belegen, dass TĂ€nzerinnen und TĂ€nzer (vor allem die nicht mehr ganz jungen) einen
ruhigen LĂ€ndler nach einer anstrengenden Walzerkette mit besonderem VergnĂŒgen begrĂŒĂten.
b) Walzer finden sich unter seinen allerersten Werken, wenngleich die Bezeichnung zunÀchst spÀrlich
verwendet wird. âMitternachtswalzerâ op. 8, âTerpsichore-Walzerâ op. 12 (beide 1827) und âVermĂ€h-
lungs-Walzerâ op. 15 (1828) stehen noch sehr vereinzelt inmitten von LĂ€ndlern.
c) Die Bezeichnung âLĂ€ndlerâ oder âWalzerâ finden wir fallweise fĂŒr ein und dasselbe Werk. âJewats-
dorfer LĂ€ndlerâ op. 4, 1825 gedruckt, wird auf der von Flatscher mit 1826 datierten Stimmenabschrift
als âWalzer in Dâ bezeichnet. Ăhnliches gilt fĂŒr die vermutlich Ă€lteste noch existierende Stimmenab-
154 Theaterzeitung 6. 8. 1834.
155 Alfred Orel, Vorwort zu DTĂ Bd. 65.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, TĂ€nze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂŒrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn â Werden â Sein 21
- VorlĂ€ufer â MitlĂ€ufer â Nachfolger 23
- Tanz 28
- BĂ€lle â TanzstĂ€tten â AuffĂŒhrungsorte 32
- Solisten â Ensemble â Kapelle â Orchester 39
- Akademie â AssemblĂ©e â Conversation â Piquenique â RĂ©union 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- WidmungstrÀger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen â Bibliotheken â Sammlungen 101
- FunktionalitĂ€t â Autonomie â Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik â Biedermeier 108
- Strahlender Stern â leuchtender Stern 112
- Rezension â Rezeption 113
- FlĂŒchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang